Segen, Hitze, Verhetzung und Hitler-Grüße
In Loibach bei Bleiburg gedachten 11.000 Menschen der ermordeten Ustascha. Die Polizei-Präsenz schüchterte Krawallmacher ein, radikale Töne hörte man trotzdem.
Er ist natürlich auch hier. Weil er auf keiner Demonstration fehlen darf. Che Guevara prangt am T-Shirt eines feingliedrigen älteren Herren. „Jeder, der gegen Unrecht auftritt, ist mein Kamerad“, steht da zu lesen. Mit dem Che-Fan demonstrieren – laut Polizei – 100 andere Menschen um 11 Uhr an der Durchzugsstraße in Bleiburg/Pliberk. „Wir wollten, dass die Regierung diese Veranstaltung untersagt. Österreich übernimmt bald den EU-Ratsvorsitz. AntiFaschismus ist eine Grundsäule der EU“, erklärt Andrej Mochar, Organisator des Protests gegen das Ustascha-Treffen. Dass die Kroaten zeitgleich schon feiern und vom Protest nichts mitbekommen, sei beabsichtigt. „Wir wollen keine Konfrontation mit den gewaltbereiten Faschisten.“
der 11.000 Menschen, die sich zu diesem Zeitpunkt in um die kleine Ortschaft Loibach versammeln, tatsächlich Faschisten sind, wie viele Nationalisten oder wiederum strenge Katholiken, darüber ließe sich streiten.
Tomo Bilogrivic macht zumindest selbst klar, wo er hingehört. Noch vor der offiziellen Feier ergreift er am Friedhof von Loibach, vor dem Grab dreier kroatischer Soldaten, das Wort und stellt sich als Vertreter der vereinigten kroatischen Rechten vor. Gut zehn Minuten lang spricht er, die Kernaussage fasst ein Journalist der Frankfurter Rundschau zusammen: „Er fordert, den Anti-Faschismus aus der kroatischen Verfassung zu streichen.“Die gut 300 Besucher innerhalb der Friedhofsmauer jubeln ihm zu.
Knapp darauf senken die Menschen ihre Häupter. Zelimir Puljic, Erzbischof von Zadar und als Vorsitzender der kroatischen Bischofskonferenz, der höchste kirchliche Würdenträger des Landes, zieht am Friedhof ein. Vor ihm ein Jesus am Kreuz und eine kroatische Fahne. Das Schachbrett im Wappen beginnt im linken Eck mit einem weißen Feld – die Farbgebung der Ustascha. Er segnet das Grab, auf dem auch ein Halbmond eingefräst ist, und macht sich auf in Richtung der Gedenkstätte am Loibacher Feld. In seinem Gefolge zahlreiche junge Männer mit Messerund haarschnitt. Deren Dresscode: Schwarz wie die „Crna legija“, die Elite-Einheit der Ustascha. Manche geben sich modischer und tragen Polos der Marken Thor Steinar und Fred Perry. Letztere sind mit ihrem Lorbeerkranz-Emblem ein bekannter Code der Rechtsextremen.
Auf der gut zwei Kilometer langen Prozession beginnt eine Handvoll älterer Frauen mit
dem Beten des Rosenkranzes. Fast niemand stimmt ein. Stattdessen murmelt eine Frau mit rotem Haar über die „verdammten Deutschen“. Auf den fragenden Blick des Zuhörers ergänzt sie: „Hätten die gewonnen, müssten wir jetzt nicht in der Hitze marschieren.“
Die Hitze lässt dann auf der Gedenkstätte am Loibacher Feld ein paar Menschen direkt ins Rotkreuz-Zelt abbiegen. Andere schützen sich mit Regenschirmen vor der Sonne, es war ja schlechteres Wetter angesagt.
Unter dem Flugdach des Freiluftaltars nehmen mehr als ein Dutzend Priester Platz, vor ihnen setzen sich die Menschen ins Gras. Ein paar Männer mit schwarzen Fahnen in der Hand müssen vor dem Gelände stehen bleiben. „Das sind verbotene Abzeichen, mit denen kann man auch in Kroatien nicht auf die Straße. Die wollen wir hier nicht“, erklärt ein kroatischer Sicherheitsmitarbeiter. Dane- ben marschiert ein Mann mit einem Leibchen der Band Thompson ein, sie glorifiziert den Nationalsozialismus offen. Ein weiterer Besucher trägt den Schriftzug „Za dom spremni!“, übersetzt: „Für die Heimat“, am Leibchen. In Kroatien werden Menschen für das öffentliche Aussprechen dieses Grußes wegen Verhetzung zu Geldstrafen über mehrere Tausend Euro verurteilt. Die Security aber reagiert nicht.
Dafür hat die Polizei einiges zu tun. Am Ende werden es sieben Festnahmen und neun Anzeigen wegen des Verbotsgesetzes gewesen sein. Übersetzt: Die Menschen haben die Hand zum Hitler-Gruß gehoben. Einen Kroaten hat man direkt an die nahe Landesgrenze gebracht. Gegen ihn besteht ein Aufenthaltsverbot. Ein Mann wird nach der Gewerbeordnung abgestraft. Er wollte ohne Genehmigung einen Verkaufsstand aufsperren.
Während Puljic predigt, hört die Masse der Menschen zu. Er erklärt Bleiburg zur Metapher. Nennt die Massengräber der von Partisanen ermordeten Ustascha in Tezno bei Maribor/ Marburg und das von den Ustascha betriebene Konzentrationslager Jasenovac in einem Zug. Jubel brandet auf. Statt zu predigen, wendet er die Tricks politischer Agitation an. Schildert das in einem Roman dargestellte Verbrechen von Partisanen an einer schwangeren Frau als Tatsache. Sie habe sich selbst ihr Grab schaufeln müssen und sei erwürgt worden, weil sie den Partisanen keine Kugel wert gewesen sei. Dann folgt das Glaubensbekenntnis und die Menschen schlagen sich theatralisch an die Brust. „Meine Schuld, meine Schuld.“In der ersten Reihe vor dem Altar beten Goran Maric, Minister für Staatseigentum, und Veteranenminister Tomo Medved mit.
Am Rande steht Matthias Kapeller, Sprecher der Diözese Gurk-Klagenfurt, und nimmt vorweg, was viele Beobachter ob dieses Gottesdienstes von der Kirche erwarten: „Wir werden die Veranstaltung mit den Sicherheitsbehörden auswerten. Und wir werden sicher nicht wegschauen, wo es Grenzüberschreitungen gegeben hat.“
Nach dem Schlusssegen noch ein Tumult bei der Kranzniederlegung. Zwei Männer werden von der Polizei abgeführt. Hunderte Besucher eilen da schon vom Platz, zurück zu den Sammelplätzen für ihre Busse. Die ersten Regentropfen setzen ein. Ein gut 80-jähriger Mann, offenbar der Einzige mit einem Foto von Poglavnik Ante Pavelic, dem Führer des kroatischen Ustascha-Staats, auf dem gespannten Leibchen, schleppt sich auch zum Bus. Natürlich werde er kommendes Jahr wieder hier sein. „Wir haben von 1945 bis 1991 für unsere Unabhängigkeit gekämpft, das werden wir weiterhin feiern.“