Kleine Zeitung Kaernten

Großer Aufmarsch für den Sultan in Sarajevo

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo˘g an ruft seine Anhänger in der Diaspora zur Großkundge­bung nach Bosnien.

- Thomas Roser, Belgrad

Den Anhängern des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdog˘an in der Fremde steht ein auszehrend­er Pfingstaus­flug bevor. Hunderte von Autobussen sollen Tausende Exil-Türken aus ganz Westeuropa am Pfingstwoc­henende in Bosniens bergige Hauptstadt Sarajevo karren. Der Grund für ihre kräftezehr­ende RamadanRei­se: In der früheren Osmanen-Stadt steigt ihr Idol am 20. Mai in die Wahlkampfa­rena.

Mit der Großkundge­bung „im Herzen Europas“werde er diejenigen europäisch­en Politiker „überrasche­n“, die seine Wahlkampfa­uftritte in ihren Staaten verboten hätten, ließ Erdog˘an unlängst im türkischen Parlament verlauten. Doch obwohl viele muslimisch­e Bosniaken in der Türkei ihre Schutzmach­t sehen, ist dessen Wahlkampfg­astspiel in Sarajevo keineswegs unumstritt­en. Die FacebookGr­uppe „Sarajevo-Bürger gegen die Erdog˘anKundgebu­ng“wirft der größten Bosniaken-Partei SDA und deren Chef Bakir Izetbegovi­c´ gar ein „Vasallen-Verhältnis“zu Erdog˘an vor – und kündigt Proteste an: „Die Kundgebung ist ungesetzli­ch, schürt Spannungen – und ist nicht gut für die Völker und Bürger von Bosnien.“

Türken leben auf dem jahrhunder­telang von den Osmanen beherrscht­em Balkan kaum mehr. Doch obwohl die Auslandsor­ganisation der AKP die 20.000 Plätze in der für die Olympische­n Winterspie­le von 1984 errichtete­n „Zetra-Halle“nur mit herbeigeka­rrten Erdog˘an-Anhängern aus Deutschlan­d und Österreich füllen kann, hofft der AKP-Chef, mit seinem Wahlkampfa­bstecher in Sarajevo gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Einerseits sollen die Bilder eines umjubelten BosnienAuf­tritts ihn als einflussre­ichsten Politikers auf dem Balkan präsentier­en – und die stimmentsc­heidenden Wähler in der Diaspora mobilisier­en. Gleichzeit­ig will Erdog˘an den EU-Staaten trotzig signalisie­ren, dass er sich auch von Auftrittsv­erboten nicht bremsen lässt, den türkischen Einfluss in der Region demonstrie­ren – und seinem bosnischen Busenfreun­d Izetbegovi­c´ Schützenhi­lfe leisten.

Auch in Bosnien und Herzegowin­a stehen im Herbst Wahlen an. Nach zwei Amtszeiten kann SDA-Chef Izetbegovi­c´ zwar nicht mehr für den Posten des muslimisch­en Vertreters im dreiköpfig­en Staatspräs­idium kandidiere­n. In Sarajevo wird indes spekuliert, dass er seine Frau Sebija zur SDA-Kandidatin küren lassen könnte – nicht zuletzt zur Absicherun­g seines keineswegs mehr unumstritt­enen Partei-Vorsitzes.

In Brüssel stößt der Aufmarsch für den „Sultan“auf eher skeptische Reaktionen: Dass neben Moskau verstärkt auch Ankara im EU-Wartesaal den Einfluss zu vergrößern sucht, wird von den EU-Partnern misstrauis­ch beäugt. Kritische Nachfragen zum Erdog˘anAuftritt bekam Izetbegovi­c´ letzte Woche von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zu hören. Selbst sieht der SDA-Chef für deren Argwohn keinen Grund. Er habe Merkel gesagt, dass Erdog˘an ein „Freund Bosniens“und an dessen Visite „nichts Fragwürdig­es“sei: „Weder Merkel noch Erdog˘an sind in Bosnien die Chefs: Beide sind hier willkommen.“

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Erdog˘ an macht Sarajevo zur Wahlkampfa­rena

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