Selbsterfüllende Prophezeiungen
Vor 70 Jahren prägte der Soziologe Robert Merton den Begriff der „selbsterfüllenden Prophezeiung“. Dabei führt unser eigenes Verhalten dazu, dass die Prophezeiung eintritt: Wir handeln danach, dass es effektiv so kommt – was zu beweisen war. Ein Selbstläufer im oft negativen Sinne. Wir müssen im Sport gegen einen Angstgegner antreten? Das kann ja nichts werden, daher spielen wir schlechter als normal. Wir trauen uns nicht zu, eine wichtige Prüfung zu bestehen? Mangelnde Vorbereitung, Schlaflosigkeit und Prüfungsangst führen dazu, dass wir tatsächlich schlecht abschneiden.
Auch die „Abwanderung aus Kärnten“ist eine selbsterfüllende Prophezeiung, in kollektiver, sozial vermittelter Form. Menschen lesen darüber, dass andere die Perspektiven schlecht finden und abwandern. Sie beginnen daraufhin unwillkürlich, selbst darüber nachzudenken, ob sie diesem Beispiel nicht folgen sollten, oder ihren Kindern dazu raten sollten. Daraus wird rasch eine „Rette sich wer kann“-Bewegung, bei der man einander gegenseitig versichert, dass das Heil in der Flucht liegt.
Ja, die Statistik Austria sagt Kärnten ab 2050 einen leichten Bevölkerungsrückgang (< 560.000) voraus, auf 540.000 bis 2070 und dann bis 2100 konstant bleibend. Das wäre eine Entwicklung gegen den Bundestrend. Aber eine Prognose ist eine Prognose ist eine Prognose. Was in 30 oder 70 Jahren ist, hängt von unserem eigenen Verhalten und unseren gestalterischen Ambitionen ab. Wir sind, Fatalismen beiseite, unseres eigenen Glückes Schmied. Die wüsten Hypo-Jahre sind vorbei, und was aus Kärnten wird – wirtschaftlich, gesellschaftlich, kulturell, insgesamt – ist in unser aller Hand gegeben. Daraus ergibt sich, ob junge Menschen Kärnten lebenswert finden, oder ob das Gras überall anders grüner wirkt.
Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, soll Niels Bohr gesagt haben. Abwanderung als selbsterfüllende Prophezeiung ist ein (faules) selbst verstecktes Osterei. Wir sollten es eher mit Leopold Figl halten: „Glaubt an dieses Kärnten.“Oliver Vitouch ist Rektor der Universität Klagenfurt und Vizepräsident der Universitätenkonferenz
Auch die „Abwanderung aus Kärnten“ist eine selbsterfüllende Prophezeiung, in kollektiver, sozial vermittelter Form.