Neue Schatzkammer für den Wein
Das große Gutshaus inmitten des Streuhofs war schon immer der Lebensmittelpunkt der Winzerfamilie Lackner-Tinnacher in Gamlitz. Auch Katharina und Ulrike Tinnacher wuchsen hier auf, umgeben von den Steillagen des Weinguts. „Das Besondere an so einem Haus ist, dass du die Arbeit jeder Generation spürst“, sagt Katharina Tinnacher, die das Weingut nun seit 2013 führt. Versonnen streicht sie über die Kacheln eines Tischherdes in der Bauernstu- be, der von einer Zeit erzählt, in der hier Sterz gerührt und Brot gebacken wurde. Auch heute wird er noch beheizt, wenn die Tage in der Südsteiermark kühler werden. Doch um ihn herum hat sich alles verändert, denn das rund 250 Jahre alte Bauernhaus wurde einer kompletten Verjüngungskur unterzogen.
Eine Investition für die nächsten Jahrzehnte, sagt Katharina Tinnacher – nach dem Motto: „Was Wert hat und für uns wertvoll ist, wird erhalten.“Für das Projekt bündelten die Schwes- tern ihre Ideen. Architektin Ulrike Tinnacher sah es als besondere Herausforderung, ihr Elternhaus zu revitalisieren, alte Substanz zu erhalten und mit frischen Ideen zu kombinieren. Allein die Möbel sind ein Hit.
Die Architektin arbeitete vorwiegend mit vorhandenen Materialien und designte die Möbel selbst – so hat jedes Stück auch seine eigene Geschichte. Ein Sideboard mit Plattenspieler aus den 50ern neben einem neu designten rosa Ablagetisch – ein originelles Miteinander.
Wenn man nun den Wein, den Katharina Tinnacher von Hand biozertifiziert produziert, zum Vergleich heranzieht, dann strahlt das revitalisierte Gebäude jetzt in einem klaren, zeitlos eleganten und herkunftsbetonten Stil. Gearbeitet wurde mit heimischen Hölzern, Nuss, Ulme, Eiche – wie auch mit Handwerkern aus der Region.
Vom oberen Stockwerk, das die Küche, Besprechungsräume und einen mächtigen Verkostungstisch birgt, gelangt man über eine „hängende“Treppe in das Büro des sogenannten Steinbachkellers, benannt nach einer der besten Lagen des Weinguts.
Im „Keller“ist es alles andere als duster. Breite Fensterfronten werfen ihr Licht auf das, was man wohl als Leitfaden durch das Haus bezeichnen kann – den glänzenden hellgrauen Terrazzoboden mit eingearbeiteten nussgroßen Flusssteinen. Er führt vorbei am historischen Gewölbe- bis zum Fasskeller – quer durch den Empfangsraum für Besucher. Bücherwagen, Quellwasser- und Produktwagen mit Weinen und selbst gemachtem Weinberghonig können als Raumteiler ins Bild gerollt oder bei Platzmangel an den Rand geschoben werden.
Kaum schaut man kurz aus einem der bodenlangen Fenster, schon hat Katharina Tinnacher weitere Türen geöffnet, die sich nahezu unsichtbar in die Holzverkleidung schmiegen. Ebenso schlau und zurückhaltend ist die Theke erdacht – der Weinkühler samt Waschbecken ist so eingepflegt, dass nur der Wasserhahn verrät, wo er zu finden ist. Zum Schluss geht es noch ins Herzstück des Hauses, den Magnumkeller, den ein riesiger Pressbaum durchschneidet.
Auch wenn die Familie nicht mehr hier wohnt – die Eltern sind in ein frisch designtes Häuschen im Weingarten gezogen (unten) –, verbringt Katharina Tinnacher „sechs Tage die Woche, einen großen Teil meiner Lebenszeit hier“. Und eines steht fest: „Man arbeitet lieber, wenn man sich auch wohlfühlt.“