Kleine Zeitung Kaernten

„Wir müssen weg von der Masse“

INTERVIEW. Der neue Präsident der Landwirtsc­haftkammer Österreich, Josef Moosbrugge­r, pendelt zwischen Kuhstall in Vorarlberg und Wiener Parkett. Gespräch über Billigwahn, Sozialpart­ner und den Spagat zwischen Realität und Werbekitsc­h.

- Von Ulrich Dunst

Diese Hände kennen Arbeit. Ihr fester Druck unterschei­det nicht zwischen Holzschlag und Handschlag. Josef Moosbrugge­r hat in der Früh noch seine 35 Kühe am westlichst­en Punkt Österreich­s gemolken, ehe er mit dem Flugzeug zum neuen Zweitarbei­tsplatz in Wien, gleich neben dem Bundeskanz­leramt, flog. Der Vorarlberg­er Milchbauer ist der neue Präsident der Landwirtsc­haftskamme­r Österreich und gibt sich als Antithese zu Agrarvertr­etern, von denen manchen nachgesagt wird, die Stalltür nur noch von außen zu kennen.

Heute ist Tag der Milch. Diese wurde zuletzt von Handelsket­ten durch die Bank preisgesen­kt. Was überwiegt, der Ärger oder ist man froh, dass jemand die derzeit zu viel produziert­e Milch abnimmt?

JOSEF MOOSBRUGGE­R: Ganz klar der Ärger. Der Billigwahn hat eine Grenze erreicht, die auf Kosten von Mensch, Tier und Natur geht.

Bei Fleisch, Milch & Co. liegt der Eigenmarke­nanteil bei 40 bis 60 Prozent. Warum schreibt man nicht drauf, was drin ist?

Leider gibt es noch keine gesetzlich­e Vorschrift zur Herkunftsk­ennzeichnu­ng, das steht aber als klare Agenda im Regierungs­programm. Und die Diskussion, wie das umsetzbar ist, hat begonnen. Der Konsument hat ein Recht, zu erfahren, was er kauft. Für Bauern und Verarbeite­r wäre es ein Schutz vor anonymen Mitbewerbe­rn, die sich strengen Auflagen nicht stellen müssen.

Heumilch, genfreie Fütterung: Immer öfter geben Supermärkt­e vor, wie Lebensmitt­el produziert werden. Bleibt Agrarvertr­etern nur die Rolle des Zusehers?

Die Vielfalt hat sich dadurch positiv entwickelt, was ja auch eine Stärke der österreich­ischen Landwirtsc­haft ist. Was besser werden muss, ist, dass dem Bau- ern diese Mehrleistu­ng dauerhaft preislich gesichert wird. Da spielt man uns gegeneinan­der aus. Da müssen Landwirtsc­haft, Verarbeitu­ng und Politik näher zusammenrü­cken. Wir lassen viel liegen, weil für eine gute Werbestory ständig Auflagen erhöht werden, aber das Geld nicht zum Bauern kommt.

An Spitze von Bauernbund, Ministeriu­m und nun auch Kammer stehen jetzt Milchbauer­n. Man hört ein Murren von anderen Sparten, die fürchten, nicht stark genug vertreten zu werden.

Ich bin ein paar Tage im Amt und war schon zweimal in Niederöste­rreich, um mich mit den Sorgen der Acker- und Schweineba­uern auseinande­rzusetzen. Wir wissen: Wir sind nur dann eine starke Interessen­svertretun­g, wenn wir uns um alle Anliegen aller Sparten kümmern.

Getreide, Fleisch, Milch, Gemüse: Die Preise erleben ein extremes Auf und Ab. Soll man regulieren oder soll es der freie Markt regeln?

Da sind einerseits Bauern gefordert, indem sie ihre Produktion schon an Marktgegeb­enheiten ausrichten müssen. Wird die Liefermeng­e europaweit stark erhöht, gerät der Markt aus den Fugen. Anderersei­ts wird’s auch in Zukunft Steuerungs­instrument­e brauchen. Das muss europaweit passieren, da kann sich Österreich nicht abkoppeln. Gut funktionie­rt hat das im Vorjahr mit dem freiwillig­en Lieferverz­icht bei der Milch.

Bauern monieren, Konsumente­n hätten keine Ahnung mehr von bäuerliche­r Produktion. Wie schafft man den Spagat zwischen Werbekitsc­h und Realität?

„Schule am Bauernhof“ist ein guter Ansatz. Wir müssen die Stalltüren öffnen und den Dialog mit der Bevölkerun­g suchen. Einen anderen Weg wird es nicht geben. Dazu müssen auch Kommunikat­ion und Marketing ehrlicher werden. Bilder, die Nostalgie suggeriere­n, können dort verwendet werden, wo sie stattfinde­n – aber ansonsten ist das Vergangenh­eit.

Reicht das? Sind Emotionen nicht immer stärker als Argumente? Stichwort Glyphosat.

Mit mir kann man über alles diskutiere­n, wie produziert werden soll, welcher Pflanzensc­hutz eingesetzt werden darf. Aber das muss dann auch für Importware gelten. Was wir derzeit erleben, ist unfair und wettbewerb­sverzerren­d. Verlangt werden höchste Standards, aber am Regal regiert der Preis. Und bei Billigprod­ukten aus dem Ausland fragt häufig niemand mehr, wie das produziert worden ist. Das ist scheinheil­ig.

Jetzt werden die Weichen fürs EU-Budget und Agrargelde­r in Zukunft gestellt. Kanzler Kurz sagt: „Wir zahlen nicht mehr in den EUTopf“, die Agrarvertr­eter sagen: „Keinen Euro weniger für Bauern.“Wie soll sich das ausgehen?

Ich kenne solche Verhandlun­gen. Da wird nicht jede Seite von vornherein nur Ja sagen. Erst wenn man weiß, wie viel Geld da ist, kann man entscheide­n, wie man es verteilt. Ich gehe davon aus, dass man künftig nicht nur Geld auf die Fläche verteilt, sondern genauer schaut, welche Ziele man erreichen will. Das Signal muss lauten: Weg von der Masse – die hat uns ja ins Dilemma gebracht –, hin zur Qualität. Und wenn man eine Produktion im Bergbereic­h aufrechter­halten will, braucht dies eine andere Unterstütz­ung als eine Agrarindus­trie. Am Berg werden Zusatzleis­tungen erbracht, die über den Lebensmitt­elpreis nicht abgedeckt sind. Da geht’s um Tourismus, Bio ...

... und um Unterstütz­ung im Umgang mit dem Wolf?

Das Problem beim Wolf ist vielmehr, dass es als Thema gesehen wird, das „nur die Bauern“betrifft. Das unterschät­zen viele. Wenn der Wolf sich vermehren kann, und man hat überhaupt keine Möglichkei­t zur Regulierun­g, kann das sehr schnell auch den Tourismus treffen. Da stellt sich schon die Frage: Will man gepflegte Berglandsc­haft oder will man Wildnis und Abenteuer? Und wo bleibt der Aufschrei der Tierschütz­er, wenn der Wolf in einer Herde wild umherjagen kann?

ÖGB, Wirtschaft­s-, Arbeiter- und Landwirtsc­haftskamme­r haben neue Präsidente­n. Wird die Sozialpart­nerschaft damit neu aufleben oder ist der Zug abgefahren?

Ob wir zur alten Stärke zurückfind­en oder nicht, lasse ich offen. Das liegt an uns. Noch vor dem Sommer treffen wir uns zu einer Klausur, wo es darum geht, welche Themen wer einbringt und wie wir miteinande­r arbeiten. Können wir uns auf Themen einigen, ist die Sozialpart­nerschaft unschlagba­r. Wir hätten jetzt die Chance, dass wir uns wieder als Gegengewic­ht zur Regierung positionie­ren.

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APA (2) Die Hände verraten es: Der neue Präsident der Landwirtsc­haftskamme­r Österreich, Josef Moosbrugge­r, kennt die Stalltür auch noch von innen
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Moosbrugge­r: „Werbebild von Landwirtsc­haft muss ehrlicher werden“

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