Leuchttürme im Neo-Weinland
130 Hektar, bis zu 600.000 Flaschen Wein jährlich: Der Weg des Kärntner Weins zum gefragten Genussmittel ist ein langer.
Als der Texaner Sem Kegley 1995 einen kleinen Weinberg in Karnburg auspflanzte, wurde er als Exot bestaunt. Wie schon zuvor Herbert Gartner, der 1972 in Weinzedl in St. Andrä Weinreben pflanzte und so den ersten Kärntner Wein seit 80 Jahren kelterte. „Es ist spannend, ein Pionier zu sein“, sagt Kegley, der heute mit Georg Lexer das Weingut Karnburg mit rund 10 Hektar betreibt. Dass er dieser Tage zufrieden mit sich und seinen Weinen ist, hat gute Gründe: Kärntner Wein, ein belächelter Außenseiter, hat sich etabliert. Wenngleich sich die Mengen noch an Apothekermaßstäben orientieren: Nur 200.000 Flaschen wurden 2016 und 2017 abgefüllt, Hagel, Frost und Regen forderten Tribut. Heuer könnte die Menge, sollte der Vollertrag geerntet werden, drei Mal so hoch ausfallen: „600.000 Flaschen wären möglich“, sagt Siegfried Quendler, Leiter des Kärntner Obst- und Weinbauzentrums. 130 Hektar sind angepflanzt, kaum ein Landstrich mehr ohne Weingarten – viele Einzelkämpfer ohne Weinbaugebiet. Mit 40 Hektar Anbaufläche und repräsentativem Weingut errichtete Uhrenproduzent Alfred Riedl einen Leuchtturm. „Das Weingut Taggenbrunn machte den Weinanbau sichtbar“, sagt Horst Wild, Obmann des Weinbauverbandes Kärnten. Riedl ist der größte, aber nicht der einzige Winzer von Größe: Erwin Gartner (6 Hektar), das Trippelgut am Maltschacher See mit 7,5 Hektar und die Domäne Lilienberg von Mirjam Orasch in Tainach (12 Hektar) besitzen ebenfalls Strahlkraft. Wachstumspotenzial wird auch dem Weingut Sternberg, derzeit 3,5 Hektar groß, bescheinigt. Ausnahmen unter den vielen kleinen leidenschaftlichen Winzern, die häufig die Landessieger stellen. Sie eint ein Ziel: Kärntner Wein zum bevorzugten Getränk in der heimischen Gastronomie zu machen. „Beliebter als Bier“, meint Wild, nur halb im Scherz.
Neben der Steigerung der Menge steht Qualität im Mittelpunkt. Falstaff-Prämierungen sowie Aufnahmen in den „Salon Österreich Wein“auch 2018 zeugen vom Potenzial. Terroir und Klima lassen Größeres zu, ahnen die Experten. Von einem Ritterschlag berichtet Wild. Die bekannten Weinkritiker Hugh Johnson und David Schildknecht probierten jüngst bei der VieVinum in Wien erstmals Kärntner Wein: „Sie haben ihn mit großer Begeisterung verkostet“, weiß Wild. Dafür, dass die Reben nicht in den Himmel wachsen, sorgt ein EU-Reglement, das überbordendes Flächenwachstum von Rebflächen unterbindet. „Bleibt es dabei, dauert es 2000 Jahre, bis wir so viel Fläche haben wie die Steiermark“, klagt Kegley. Jede Gefahr der Massenproduktion von Kärntner Wein wäre jedenfalls gebannt.