Urteil: Todesschuss in Kaserne war Mord
22-Jähriger, der sich auf einen Unfall berief, zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Sein 20-jähriger Bundesheer-Kamerad hatte nach dem abgegebenen Kopfschuss laut Gerichtsmediziner nicht die geringste Überlebenschance, der 22-jährige Angeklagte hielt bis zuletzt seine Version von einem Schießunfall in der Wiener Albrechtskaserne aufrecht. Gestern wurde er vom Wiener Landesgericht nach dem zweiten Verhandlungstag des Mordes schuldig gesprochen. Das Urteil: 15 Jahre Freiheitsstrafe.
Der Schuldspruch der Geschworenen fiel mit dem knappest möglichen Abstimmungsverhältnis von 5:3 Stimmen zugunsten der Anklage aus. Bei Stimmengleichheit wäre der zur Last gelegte Vorwurf der vorsätzlichen Tötung vom Tisch gewesen. Während der Angeklagte bei der Urteilsverkündung wie schon während des gesamten Verfahrens ruhig, fast teilnahmslos wirkte, reagierten seine Angehörigen teilweise entsetzt. Familienmitglieder des getöteten Grundwehrdieners, die bis zur Urteilsverkündung geblieben waren, verhielten sich diszipliniert.
Der 20-Jährige, der – vermutlich schlafend – in Bauchlage auf einer Pritsche im Ruheraum eines Wachcontainers lag, starb an einem „relativen Nahschuss“. Das stellte eine Gerichtsmedizinerin fest. Das Sturmgewehr StG 77 wurde dem jungen Mann aber nicht direkt angesetzt. Das Projektil drang dem 20-Jährigen sechs Millimeter schräg über dem Ohr in den Kopf und durchschlug den Schädel.
Der Angeklagte behauptet, er habe seinen Kameraden zum gemeinsamen Rauchen einer Zigarette wecken wollen, sei beim Betreten des Ruheraums gestolpert und gestürzt, wobei sich unabsichtlich der Schuss gelöst hätte. Das habe nur passieren können, weil ihm zuvor die Waffe aus der Hand gefallen sei, wobei automatisch eine Patrone aus dem Magazin in den Lauf gelangt sei. Dieser Version trat der beigezogene Schießsachverständige jedoch entgegen: Es gebe „keinen Hinweis, dass sich der Schuss ohne besonderes Zutun gelöst haben kann“.
Bei der Strafbemessung fiel laut vorsitzender Richterin die bisherige Unbescholtenheit des Schützen mildernd ins Gewicht. Erschwerend war hingegen, dass der getötete 20-Jährige keine Möglichkeit hatte, den Angriff abzuwehren – er hatte es sich im Ruheraum des Wachcontainers bequem gemacht und sich auf eine dort bereitstehende Pritsche gelegt.
Der Verteidiger des 22-Jährigen meldete sogleich Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Das ergangene Urteil ist damit nicht rechtskräftig.