Warum Autos teurer werden
Autos sind nicht verfügbar, Preise ändern sich, Kunden sind irritiert, Hersteller empört. Wie ein neuer Abgastest die Branche auf den Kopf stellt.
Es sind schwierige Zeiten für die Autobranche. Dieselskandal, Diskussionen um Fahrverbote, verbotene Absprachen: Eine Branche steht unter Generalverdacht.
Mitten in den Turbulenzen sind auch noch die Folgen der neuen Verbrauchs- und Abgastests (WLTP, RDE) für die Kunden spürbar, die mit September 2018 schlagend werden.
Bestimmte Modelle (siehe Seite 48/49) sind aufgrund der langwierig gestalteten Zulassungsprozesse gar nicht oder temporär nicht mehr verfügbar; die Autopreise in Österreich ändern sich, weil mit dem neuen Verbrauchstest die Verbräuche realistischer und damit höher kalkuliert werden – deshalb steigt die österreichische Normverbrauchsabgabe; und auch die Elektroautos werden beim neuen WLTPVerbrauchstest an Reichweite verlieren. Es bleibt also kein Stein auf dem anderen.
Dabei waren neue Verbrauchstests eine längst fällige Maßnahme. Die Unzufriedenheit der Kunden, dass die offiziellen Verbrauchswerte nie und nimmer im Realbetrieb zu erreichen waren, konnte nicht mehr wegargumentiert werden. Der Dieselskandal und die Diskussionen um die schlechte Luft in den Städten bekräftigte und beschleunigte den politischen Willen, etwas zu ändern. Freilich hatte die Politik ein schlechtes Gewissen: Denn sie hatte, im Einklang mit der Industrie, diese unrealistischen Prüfstandards nicht nur geduldet, sondern zugelassen. Dass sich jetzt Politiker darüber aufregen, ist der üblichen politi- schen Realitätsverweigerung geschuldet.
Die neuen Verbrauchs- und Abgastests sind freilich nicht der Weisheit letzter Schluss. Sie bringen uns der Realität nur ein Stück näher. „Es bedeutet nicht unbedingt, dass der WLTP-Zyklus das abbildet, wie der Autofahrer tatsächlich fährt. Es ist lediglich ein Weg in die realistischere Prüfrichtung.“Und: „Dass es mit WLTP-Tests im Schnitt um 20 Prozent höhere Verbrauchswerte bei allen Autos geben wird, glaube ich nicht. Viele Autos werden zwischen 5 und 15 Prozent bleiben“, erklärt Helmut Eichlseder, Leiter des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der TU Graz.
Der WLTP-Test findet am Prüfstand statt, er unterscheidet sich in mehreren Bereichen (Fahr-/Geschwindigkeitsprofil, Temperatur/Umgebung, Länge) vom alten NEFZ-Standard.
Auswirkungen des neuen Tests sind erstaunlich, zum Beispiel verlieren im WLTP-Zyklus verschiedene Verbrauchstechnologien an Wirksamkeit. Eichlseder: „Die Start-StoppVorrichtung hat etwa beim alten Test mehr gebracht. Dafür werden Aerodynamik-Maßnahmen zukünftig wichtiger.“
Kurios: Bei Hybridsystemen geht man auch beim WLTPPrüfzyklus von einem synthetischen Fahrprofil mit einem hohen elektrischen Fahranteil aus. Was nicht real ist. Und zu Diskussionen führen wird, warum Plug-in-Hybride trotz des neuen Standards wesentlich mehr angegeben verbrauchen, wenn der Fahrer die Batterie nicht geladen hat und mehrheitlich mit dem Verbrenner fahren muss. Das zeigt eine Schwäche des WLTP-Verfahrens auf: Die Plug-in-Hybride sollen den Autokonzernen eigentlich helfen, die von der Politik vorgegebenen Flottenverbräuche überhaupt zu erreichen. Werden Plug-in-Hybride jedoch nicht artgerecht verwendet, verbrauchen sie mit dem Verbrenner mehr als ein herkömmliches Auto, weil sie größeres Gewicht (Speicher/Technik) mitschleppen.
Großes Kopfzerbrechen bereitet der Autoindustrie das zusätzlich neu eingeführte RDEDie
Testverfahren, das im Gegensatz zu WLTP kein PrüfstandsTest ist, sondern im Realverkehr angewandt wird. Hier geht es um das Einhalten der Schadstoffgrenzwerte. Die Autofirmen müssen dabei die WorstCase-Szenarien ausloten, bei denen die meisten Schadstoffe entstehen. Aufgrund der AbgasVorgaben sollen außerdem viele Direkteinspritzer-Benziner Partikelfilter erhalten, die wiederals um mehr Spritverbrauch verursachen. Was Autos und Steuern noch zusätzlich verteuert.
Der ganze Entwicklungsaufwand
ist enorm. Eichlseder weiß, dass Prüfstellen und Manpower – auch bei den Behörden – nicht ausreichen. „Der Testzyklus dauert deutlich länger, gewichtsrelevante Ausstattungen müssen separat getestet werden und man muss erst einmal die
vielen Fahrsituationen im RDEVerfahren darstellen.“
Nur ganz wenige Firmen – wie Peugeot – haben schon früh umgestellt. Der Volkswagenkonzern kämpft genauso wie Mercedes oder BMW mit den WLTP-Auswirkungen. VW gibt offiziell zu: „Wir rechnen im zweiten Halbjahr 2018 aufgrund der WLTP-Einführung im Volkswagen-Konzern mit einem Effekt von 200.000 bis 250.000 Fahrzeugen, die wir später als ursprünglich geplant bauen werden. Mit Hochdruck arbeiten wir an weiteren Maßnahmen, um die Auswirkungen auf unsere Produktion so gering wie möglich zu halten. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass es zu temporären Produktionsengpässen kommen wird und es Auswirkungen auf unsere Auslieferungen gibt.“
Günther Kerle, Sprecher der Automobilimporteure Österreich, sagt: „Für die Industrie ist das Ganze viel zu schnell gekommen. Speziell in Deutschland gibt es riesige Wartelisten, die Prüfinstitute sind heillos überlastet. Heuer im September werden mehrere Modelle nicht zur Verfügung stehen. Und die Preissteigerungen werden vor allem kleinere Autos treffen, da sind 400 oder 500 Euro Mehrkosten für das Auto schnell drin.“Aber bis 2020 will man eine neue Steuer-Formel mit der Politik festsetzen.