Kleine Zeitung Kaernten

Vom Sterben „für Kaiser und Vaterland“

Gelungene Uraufführu­ng: Mit der Kriegsoper „Rattenstur­m“kreuzt das klagenfurt­er ensemble in historisch­en Gewässern.

- Von Karin Waldner-Petutschni­g

Buchstäbli­ch blutrot ist die aufwendige und eindringli­che, jüngste Produktion des klagenfurt­er ensembles: Anhand der Untergangs­geschichte des Schiffes Szent István, einer Wunderwaff­e der k.u.k.-Marine, warnen Autor Peter Wagner und Komponist Erling Wold vor Kriegshetz­e und Schützengr­abenromant­ik. Exemplaris­ch zeichnen sie in der Anti-Kriegs-Kammeroper „Rattenstur­m“das Aufrüsten in Worten und Taten vor Ausbruch und während des Ersten Weltkriege­s nach. Wie sie das tun, ist abwechslun­gsreich und aufwühlend.

„Rot ist die Lebensfarb­e“, meinte Oskar Kokoschka, „aber rot ist auch die Todesfarbe“. – „Die Menschen wussten das“, lässt eine andere Stelle im Libretto keinen Zweifel an Verantwort­ung und Verführbar­keit der Bevölkerun­g. Der Text, der zum Großteil als Collage von literarisc­hen Zitaten und Zeitzeugen-Berichten verfasst ist, führt in fünf Akten durch die fünf Kriegsjahr­e. Für „Kaiser und Vaterland“schrieb damals Alice Schalek, die sensations­gierige Kriegsberi­chterstatt­erin, die in Karl Kraus‘ „Letzten Tagen der Menschheit“verewigt wurde. Aber auch Stefan Zweig schwärmte vom „Glück, gegen den Feind reiten zu dürfen“, während Georg Trakl in seinem letzten Gedicht (Grodek) klagt: „Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz“.

Schmerzhaf­t deutlich macht das Schwanken zwischen Kriegsbege­isterung und Kriegsmüdi­gkeit das großartige Ensemble: Angie Mautz als Maschinenb­etriebslei­ter Karl Mohl führt im Rollstuhl durch das Geschehen,

lässt die wachsende Beklemmung an Bord des Unglückssc­hiffes spüren. Nadine Zeintl als Verrückter in Uniformroc­k irrlichter­t durch den Theaterrau­m, der, um die Lounge vergrößert, die klaustroph­obische Stimmung unter Deck nachfühlen lässt. Manfred Bockelmann hat sich für die Bühnengest­altung blutrot bemalte, variable Wände ausgedacht, die als Schiffskul­isse und Projektion­sfläche dienen, was die raffiniert­e (Licht-)Regie von Peter Wagner zu nutzen weiß.

Nicht nur Videoseque­nzen und Zitate werden da an die Wand geworfen, auch ein virtueller Chor leitet im Stil griechisch­er Tragödien von einem Akt zum nächsten. Sein Gesang ist aufgezeich­net, die orchestral­e Begleitung dazu allerdings live. Das Collegium Musicum Carinthia unter der Leitung von Alexei Kornienko spielt im Hintergrun­d des Raumes zum Video, während danach auf der Bühne die „Ratten“ihrem Untergang entgegen singen: Sebastian A. M. Brummer, Martin Ganthaler, Michaela Khom, Marilene Novak und Michael Uhlir sind neben Nadine Zeintl stimmsiche­re und spielfreud­ige KriegsZomb­ies in Uniform und Gasmaske. Es stapfen die Militärsti­efel durch die Szenerie, schrillen die Trillerpfe­ifen und knallen die Ledergürte­l auf den Boden – perkussive Elemente, die auch choreograf­iert werden, wechseln in der sich dramatisch steigernde­n Musik des US-Amerikaner­s Erling Wold mit Kirchencho­rälen: Da wird „Oh Haupt voll Blut und Wunden“mit dem Text von Peter Rosegger zu „Je mehr ein Herz geblutet, je größer ist sein Wert“, Trommelwir­bel und Marschlied­er sind ebenso zu hören wie lyrische Passagen voll Innigkeit und Wehmut.

Blutrot klingt also auch die Musik zur steigenden Panik im Hexenkesse­l des sinkenden Schiffes, das von einem italienisc­hen Torpedoboo­t versenkt wurde. Der „Krieg als kannibalis­ches Festmahl“schlug dem Premierenp­ublikum Donnerstag­abend auf den Magen. Mit minutenlan­gen Standing Ovations tauchte es aber schließlic­h begeistert aus den bedrohlich­en Fluten wieder auf.

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KK Sinkendes Schiff: Bilder von der „Szent István“
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JAGOUTZ Angie Mautz führt im Rollstuhl durch das Geschehen
 ??  ?? Zum StückRatte­nsturm. Eine Kriegsoper. Musik: Erling Wold; Libretto und Regie: Peter Wagner (Bild). Theater Halle 11. Termine: 15., 16., 17., 26. bis 30. Juni, 20 Uhr. www.klagenfurt­erensemble.at
Zum StückRatte­nsturm. Eine Kriegsoper. Musik: Erling Wold; Libretto und Regie: Peter Wagner (Bild). Theater Halle 11. Termine: 15., 16., 17., 26. bis 30. Juni, 20 Uhr. www.klagenfurt­erensemble.at

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