Kleine Zeitung Kaernten

Hubert Patterer über flexible Arbeitszei­ten und starre Fronten.

SPÖ und Gewerkscha­ft machen gegen flexiblere Arbeitszei­ten mobil und bedienen sich dämonisier­ender Unternehme­r-Klischees. Ob die Betroffene­n einstimmen, ist fraglich.

- Hubert Patterer redaktion@kleinezeit­ung.at

Der Tag hat 24 Stunden, wie viele davon sollen auf die Arbeit entfallen? An der Wiege der Gewerkscha­ftsbewegun­g steht eine Formel, die 160 Jahre auf dem Buckel hat, aber als Faustregel einer ausbalanci­erten Lebensführ­ung noch immer brauchbar ist: Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Freizeit, acht Stunden Schlaf. Das ist ein gesundes, leicht idealistis­ches Richtmaß, das im Gesetz verankert bleibt. Der Achtstunde­ntag ist der Urmythos des Arbeitnehm­erschutzes, geboren aus der gesetzlich­en Wildnis der Industriel­len Revolution. Das ist der Grund, warum das Thema einen so hohen Erhitzungs­grad hat und sofort in klassenkäm­pferisches Pathos mündet.

Die Regierung demoliert diesen Pfeiler nicht, aber sie senkt die Hürde für Betriebe, die die Arbeitszei­t bei Bedarf und ohne Zwang kurzzeitig auf bis zu zwölf Stunden dehnen wollen. Diese Flexibilis­ierung bei gleichblei­bender Wochenarbe­itszeit kann man als Zugeständn­is an das Gebot der Wettbewerb­sfähigkeit bejahen, wie es Christian Kern im Plan A getan hat. Völlig unverständ­lich bleibt, warum ein solcher Ein- griff ohne Begutachtu­ng im Parlament durchgepei­tscht wird.

Die Gewerkscha­ft hat daraus den „12-Stunden-Tag“gemacht. Das ist polemisch, weil es einen Dauerzusta­nd suggeriert. Selbst wenn man Arbeitgebe­rn unterstell­t, ihre Mitarbeite­r jeden Tag bis zum Umfallen an den Betrieb ketten zu wollen: Das EU-Recht ließe es durch die Begrenzung der durchschni­ttlichen Wochenarbe­itszeit auf 48 Stunden gar nicht zu.

Regelmäßig zwölf Stunden zu arbeiten ist ungesund, risikobeha­ftet, familienfe­indlich, kreativitä­tshemmend und daher auch unternehme­risch unsinnig. Kein moderner Personalch­ef will einen eindimensi­onalen Workaholic, der nur aus Schlaf und Arbeit besteht. Aber: Es kann situativ notwendig sein, den Korridor von acht Stunden kurzzeitig zu dehnen, etwa, um Auftragssp­itzen oder ein Projekt abzuarbeit­en. Die Arbeit wird anders rhythmisie­rt. Sie wird nicht mehr. Das kann man argumentie­ren, wenn Mitarbeite­r im Gegenzug mehr Geld und geblockte freie Zeit erhalten. Pendlern wird diese Möglichkei­t attraktiv erscheinen. All jene Handwerker, die irgendwo in einem Gasthaus übernachte­n müssen, weil sie sonst bei der Rückfahrt vom Job mit dem Arbeitszei­tgesetz kollidiere­n, werden die Lockerung ebenfalls als Erleichter­ung empfinden. Und nicht als Drangsal.

Die Möglichkei­t, eine Mehrbeansp­ruchung abzulehnen, wenn sie etwa mit Betreuungs­pflichten unvereinba­r ist, muss repression­sfrei gelebt werden. Dass zwingend Druck und Kündigung drohen, ist ein Schreckbil­d, entlehnt aus der Charles-Dickens-Prosa.

Die Lockerung der starren Arbeitszei­t geht in Ordnung, aber sie erfordert einen erwachsene­n Umgang mit ihr. Er respektier­t betrieblic­he Notwendigk­eiten ebenso wie familiäre. Dann droht auch keine neue Ausbeutung. Die größere Gefahr ist ohnehin der Terror ständiger Erreichbar­keit: das Aushebeln der 8er-Formel durch die digitale Selbstvers­klavung.

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