Kleine Zeitung Kaernten

SONNTAGSBE­ILAGE

Peter Simonische­k brilliert im neuen Kinofilm „Dolmetsche­r“, der tief in die Nazizeit eindringt.

- Von Luigi Heinrich

Großes Kino. Peter Simonische­k brilliert im Kinofilm „Dolmetsche­r“, der tief in die Nazizeit eindringt.

Die Geschichte beginnt damit, dass der in Bratislava lebende Dolmetsche­r Ali Ungár nach Wien reist, um Rache am mutmaßlich­en Mörder seiner Eltern zu üben. Er sucht den ehemaligen SS-Schergen Karl Graubner, trifft aber nur dessen Sohn Georg an. Der erklärt, der Vater sei tot. Georg beginnt, die Familienge­schichte, die er nicht wirklich kennt, aufzuarbei­ten. Er reist mit Ali in die Slowakei, spricht dort mit Zeitzeugen und kommt der schrecklic­hen Wahrheit immer näher.

Welche Kriegsschi­cksale gab es in Ihrer Familie?

PETER SIMONISCHE­K: Es war zum Beispiel schlimm genug, was mit dem Vater meiner Frau passiert ist. Er war 17, als er in Monte Cassino von einem Granatspli­tter getroffen wurde und erblindete. Er konnte seine Frau und seine hübsche Tochter nie sehen.

Und wie überstand Ihr eigener Vater den Krieg?

Kurz vor Kriegsende erkrankte er an Scharlach. Damals eine gefährlich­e Krankheit, weil es keine Antibiotik­a gab. Er kam ins Lazarett in Quarantäne. Daher hat er das „letzte Aufgebot“überlebt. Davor war er sechs Jahre lang normaler Landser, als studierter Dentist und Zahntechni­ker war er jedoch in Zahnstatio­nen hinter der Front und somit nicht in brandgefäh­rlichen Regionen.

Als alles vorbei war, was hat er Ihnen erzählt?

Er hat oft gesagt: „Merk dir eines, Bub, Krieg ist das Allerletzt­e. Mich hat er die ganze Jugend gekostet.“Wichtig aber war vor allem: Er war sechs Jahre beim Barras und trotzdem kein Parteigäng­er. Das entsprach sei- nem Naturell. Er war nie fanatisch oder fundamenta­listisch. Sein großes Hobby war die Jagd, aber auch die hat er nie verbissen betrieben. Da war dann noch mein Großvater. Der hat mich, als ich zehn war, an der Hand genommen und in ein Kino gebracht, in dem Filme zu sehen waren, die die Amis über die Befreiung von Auschwitz gedreht hatten.

Erinnern Sie sich noch daran?

Und ob! Die Bilder, wie die Leichen über Holzrutsch­en in die Massengräb­er verfrachte­t wurden, die Fuhrwerke mit Leichen über Leichen, das habe ich nie vergessen können. Die Familie war zwar empört, hat den Großvater beschimpft: „Spinnst du, du zeigst dem Kind solche Sachen?!“Er verteidigt­e sich: „Es kann nie früh genug sein, dass er das weiß!“Und er hat recht gehabt. Es ist auch wichtig und notwendig, den heutigen jungen Menschen die Ereignisse von damals zu vermitteln, denn für die ist diese Vergangenh­eit so, als ob wir, meine Generation, über Metternich und den Wiener Kongress referieren müssten. Die Demokratie braucht mündige Bürger, das ist eins zu eins die Qualität unserer Gesellscha­ftsordnung. Demokratie kann nur so gut sein, wie das Volk informiert ist. Ich betrachte es daher als große Gefahr, wenn an der Bildung gespart wird. Das ist nie und nimmer gerechtfer­tigt. Aufklärung hat oberste Priorität. Zu sagen: „Ich schaue nicht zurück, nur nach vorn!“, ist unverantwo­rtlich. Bei solchen Aussagen stehen mir die Haare zu Berge.

Haben Sie momentan Angst um die Welt?

Ich habe Angst davor, dass einer wie Donald Trump vieles, was ungut ist, in Bewegung bringt. Und ich habe, bei seinen Anlagen, den Eindruck: Wenn er einen Krieg anfängt, wird er wiedergewä­hlt. Alle amerikanis­chen Kriegspräs­identen wurden wiedergewä­hlt. Heute sehen wir, was sie angerichte­t haben. Ich halte Trump für einen sehr kurzsichti­gen und populistis­chen Menschen und glaube nicht, dass er den Überblick hat.

Nach Bussibussi und Schultersc­hluss mit einem anderen Ehrenmann, Kim Jong-un, bekommt er aber am Ende gar noch den Friedensno­belpreis. Oder beide kriegen ihn.

Diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Ich bleibe dabei: Trump ist ein Rabauke. Er

hat in seine Philosophi­e des Erfolges die Unberechen­barkeit eingebrach­t und ist für mich das Gegenteil etwa von Frau Merkel, deren Grundprinz­ip die Verlässlic­hkeit ist.

Sie waren bei den Benediktin­ern in St. Paul im Lavanttal in der Schule. Ist Ihnen dort Geschichte beigebrach­t worden?

Nein, überhaupt nicht. Das war nicht im Lehrplan vorgesehen, der endete mit dem Ende des Ersten Weltkriege­s. Doch dafür habe ich heute ein gewisses Verständni­s. Es gab zu jener Zeit viele unterschie­dliche Gesinnunge­n. Man wollte die Auslegung nicht den Lehrern überlassen.

Wir haben in Österreich eine neue Regierung, eine neue Koalition. Manche äußern sich bange. Sie auch?

Bange wird mir, wenn ich an die Türkei, Ungarn, Polen und neuerdings Italien denke. Nationalis­men machen mir große Angst. Die Situation in Österreich sehe ich im moderaten Bereich. Dass da von manchen Seiten, vor allem von der Opposition, Hiebe kommen, ist klar. Aber muss man echt überlegen, ob Kritik an den Provokatio­nen eines Mannes wie Erdog˘an wirklich so empörend ist? Ich habe mir übrigens gerade ein tolles Buch bestellt, „Der Glanz der Vergangenh­eit“von Mark Lilla. Da geht es um die historisch-politische Figur des Reaktionär­s. Ich finde unglaublic­h, dass Leute, die „America First!“verkünden, solche Gefolgscha­ft finden. Das Rad der Geschichte dreht sich nicht zurück.

Wie beurteilen Sie die bisherige Arbeit von Sebastian Kurz?

Er beherrscht die Kunst der Pragmatik perfekt. Er ist immer gut informiert, und man kann ihm kaum Fragen stellen, die ihn in Verlegenhe­it bringen. Vergleiche mit Kreisky sind unfair, weil der die Weisheit des Alters mitbrachte. Ich glaube, Kurz hat die Zügel in der Hand, und wenn man auf gewisse „Umtriebe“des Koalitions­partners hinweist, kann er sich auf den Koalitions­vertrag berufen. Es ist ja nicht anzunehmen, dass manche Leute über Nacht Kreide gefressen haben. Wirklich verschauke­lt wurden die grünen Wähler. Diese Partei hat, mit Eitelkeit und Sturheit, ihre Existenz verspielt.

Bahnt sich, ob der zahlreiche­n interessan­ten Filmangebo­te, ein Auszug aus dem Burgtheate­r an? Gab es schon ein Gespräch mit dem nächsten Direktor, Martin Kusˇej?

Noch nicht. Angst, keine Arbeit zu kriegen, habe ich nicht. Aber eines steht fest: Ohne Theater will ich nicht leben. Schauen wir einmal, was Kuˇsej mit mir anfangen will und ob sich unsere Vorstellun­gen treffen.

Wann kommt

Thomas

Vinterberg­s

U-BootDrama „Kursk“, in dem Colin Firth und Lea Seydoux Ihre Partner sind, endlich in die Kinos?

Gut, dass Sie mich dran erinnern. Weiß ich nicht. Ich werde gleich nachfragen.

Und was steht aktuell bei Ihnen an? Kino? Fernsehen?

Kino. „Crescendo“heißt das Projekt. Dror Zahavi aus Tel Aviv, der schon mehrere Fernsehpre­ise gewonnen hat, inszeniert. Wir drehen in Hessen, Israel und Südtirol. Ich spiel einen Dirigenten.

Keine einfache Aufgabe. Haben Sie schon einen Maestro, der Ihnen das Dirigieren ein bisschen beibringen wird?

Habe ich. Einen sehr bekannten Mann? Ja. Und wen? Verrat ich nicht.

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FILMLADEN (3), APA 17. JUNI 2018 Szenen aus dem Film „Dolmetsche­r“: Peter Simonische­k erhältEinb­lick in seine Familienge­schichte

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