Blaue Gratwanderung
Mit dem 12-Stunden-Tag geht die FPÖ ein Wagnis ein.
Ein halbes Jahr ist die Regierung im Amt, und wenig verwunderlich rühmt man sich unter Verweis auf Umfragen des eigenen Erfolgs. Ein Aspekt sticht doch hervor: dass sich die FPÖ unter HeinzChristian Strache, die am 15. Oktober 25,9 Prozent erzielte, so gut hält. Laut GfK und dem Peter-Hajek-Institut liegen die Freiheitlichen in Umfragen zwischen 24 und 25 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 verloren sie unter Jörg Haider und Susanne Riess-Passer in den ersten sechs Monaten zehn Prozentpunkte.
„Das ist doch sehr überraschend“, erklärt ein Meinungsforscher, „haben doch die Freiheitlichen bei den Nationalratswahlen sehr stark Proteststimmen abgesaugt.“Natürlich habe das blaue Dreigestirn Strache, Norbert Hofer und Herbert Kickl aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Auch haben es Strache und Bundeskanzler Sebastian Kurz meisterhaft verstanden, unpopuläre Themen, die die eigenen Anhänger verstören, bisher zu umschiffen. Ebenso profitiere Türkis-Blau von der „eklatanten Schwäche der Opposition“, die mit sich selbst beschäftigt sei (SPÖ, Liste Pilz, Grüne), nur die Neos seien im Aufschwung.
„Was den Freiheitlichen und auch der Volkspartei besonders entgegenkommt, ist die Themenlandschaft“, die mehr denn je von den anhaltenden Nachwirkungen der Flüchtlingskrise sowie der Frage der Sicherheit geprägt ist, so die Analyse des Meinungsforschers.
Mit der geplanten Ausweitung der Arbeitszeit auf zwölf Stunden trifft die Koalition erstmals seit Amtsantritt eine Entscheidung, die einen
Teil der eigenen Basis vor den Kopf stoßen könnte. Noch ist nicht absehbar, welche Seite in dem Wettstreit der Argumente die Hoheit behält – die Gewerkschaft, die von einem „Angriff auf die Gesundheit, die Geldbörse und die Freizeit der Arbeitnehmer“spricht, oder die Koalition, die das Vorhaben als Einführung der Vier-Tages-Woche verkauft und die Möglichkeit des Einspruchs hervorhebt. Während Wirtschaftskreise und türkis-blaue Geldgeber den Schritt gutheißen, hält sich die Begeisterung bei den Freiheitlichen und an den Stammtischen in Grenzen, die Flexibilisierung trifft den Nerv der blauen Basis. Mit Zeitverzögerung versucht die FPÖ jetzt, die vermeintliche oder echte Brisanz der Lockerung der Arbeitszeit herunterzuspielen und die Argumente der Gewerkschaft als Gräuelpropaganda abzutun.
Im Herbst steht die FPÖ vor der nächsten argumentativen Herausforderung. Dann soll die Notstandshilfe abgeschafft und die Arbeitslosenversicherung neu geregelt werden. Immerhin 170.000 Personen wären davon betroffen. Ein blaues Wagnis.
Getraut hat sich auch Verteidigungsminister Mario Kunasek. In einem südsteirischen Wirtshaus gab der 41-Jährige seiner Lebensgefährtin Sabrina Koroschetz das Jawort. Die beiden sind seit rund vier Jahren zusammen. Koroschetz war früher Mitarbeiterin im Büro des ehemaligen steirischen Landesrats Gerhard
Kurzmann (FPÖ). 80 Gäste kamen zur Hochzeit, unter ihnen Vizekanzler Heinz-Christian Strache und die Minister Norbert Hofer und Karin Kneissl.