Nur solange der Ball rollt
Verkehrte Welt: Die Fußball-WM in Russland holt ORF eins aus dem Quotenloch. Für ORF 2 kündigt der Senderchef Hofer Änderungen an.
Ginge es nach ORF, ARD und ZDF, könnte die Fußball-Weltmeisterschaft gerne in die Verlängerung gehen. Die Spiele in Russland stoßen beim Publikum, trotz der Abwesenheit der österreichischen Nationalmannschaft und des frühen Ausscheidens der DFB-Elf, auf enormes Interesse. Das schlug sich auch auf die Quotenbilanz im Juni nieder: ORF eins konnte seine Marktanteile gegenüber dem Vormonat von 9,3 Prozent auf 15,4 Prozent steigern, während die fußballfreien Sender unter der starken WM-Konkurrenz stöhnten. Für den Erfolg von ORF eins gab es nur einen Grund: Acht der zehn meistgesehenen Sendungen im Vormo-
nat waren WM-Spiele. Das höchste Interesse rief der knappe Sieg Deutschlands gegen Schweden hervor (1,33 Millionen Zuschauer). In Deutschland schalteten 27,5 Millionen Menschen ein. ORF-Chef Hans Peter Trost gibt sich gegenüber der Kleinen Zeitung sportlich: „Wir freuen uns über das, was war – mindestens ebenso aber auch auf das, was noch kommt.“
Dem „Problemsender“
ORF eins bietet die WM eine zweimonatige Verschnaufpause. Der Reformbedarf, den Lisa Totzauer als „Kanal-Managerin“von ORF eins bewältigen muss, wird dadurch freilich nicht kleiner. Im Versuch gegen den steten Reichweiten- und Relevanzverlust soll Roman Rinner helfen: Der frühere ATV-Programmchef wurde gestern als neuer Programmleiter von ORF eins vorgestellt. Geht es nach Totzauer, soll der Neue seine Erfahrungen im Privatfernsehen großzügig einbringen: „Der unausgesprochene Themenschwerpunkt des ATV-Programms war stets die soziale Wirklichkeit und die Lebenswelten Österreichs, abseits medialer Klischees. Das haben wir beim ORF in der jüngeren Vergangenheit möglicherweise ein klein wenig aus den Augen verloren“, erklärt Totzauer selbstkritisch.
Auch auf ORF 2 gibt es eine Veränderung bei der Programmleitung: Michael Andersch, zuletzt interimistischer Leiter der zentralen ORF-Programmplanung, übernimmt die Agenden. Sein Vorgesetzter, Neo-Channelmanager Alexander Hofer, kündigte gestern an, ORF 2 einer Erfrischungskur unterziehen zu wollen: Im Hauptabendprogramm soll eine Sendung mit Bürgerbeteiligung kommen, und der Vorabend soll „wieder dorthin zurückkehren, wo man von einem Erfolg sprechen kann“.
Konkreter wollte Hofer noch nicht werden. Erste Reformschritte sollen aber schon im Herbst erfolgen.