NACHRUF
Filmessayist des Unsagbaren Der französische Filmregisseur Claude Lanzmann starb mit 92 Jahren. Mit „Shoah“schuf er ein Jahrhundertwerk über den Holocaust.
Claude Lanzmann ist tot. Der französische Filmessayist, der mit „Shoah“ein Jahrhundertwerk schuf, starb gestern 92-jährig in Paris. Mit seinem über neun Stunden dauernden Hauptwerk, in dem er mit Zeitzeugen – Opfern und Tätern – an die einstigen Orte des Grauens zurückkehrte, gelang ihm eines der prägenden Werke der NS-Aufarbeitung. Seine Interviews vergegenwärtigen das Vergangene und stellen den Blick frei auf die Zeugnisse des Jahrhunderts. „Ich bin unbeugsam, weil ich an die Wahrheit glaube“, erklärte der Filmemacher und Schriftsteller dazu noch im Vorjahr in einem Interview seine Arbeitsweise.
Geboren wurde Lanzmann im November 1925 als Sohn einge- wanderter weißrussischer Juden in Paris. Während des Zweiten Weltkriegs schloss er sich im Alter von 18 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder und seiner Schwester der französischen Résistance an. Nur zwei Jahre nach Kriegsende ging Lanzmann nach Deutschland und setzte sein in Paris begonnenes Philosophiestudium in Tübingen fort. Später zog es ihn zurück nach Frankreich, er gehörte der „Les Temps modernes“-Redaktion von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir an, mit der er über mehrere Jahre eine Liebesbeziehung unterhielt.
„Alle wichtigen Entscheidungen, die ich zu treffen hatte, waren wie Kopfsprünge, Sturzflüge ins Leere“, erklärte Lanzmann einmal. Hartnäckigkeit und Kompromisslosigkeit waren es auch, die ihn „Shoah“im Jahr 1985 fertigstellen ließen. Ganze zwölf Jahre lang hatte er an diesem Projekt gearbeitet.
In der Mediathek von Arte ist Lanzmanns letztes Werk, der Vierteiler „Vier Schwestern“, noch bis 11. Juli abrufbar.