Immer wieder Österreich
Augenblicke
Ganz entspannt liegen sie da, 1926, im Dianabad in Wien-Leopoldstadt, und blinzeln in die Sonne. Es ist die friedselige Ruhe vor der Kraftanstrengung. In wenigen Minuten werden diese Schwimmerinnen des jüdischen Sportclubs Hakoah in ihren Badeanzügen ins Wasser köpfeln und einen Wettkampf bestreiten. Vielleicht siegen sie glorreich, vielleicht scheitern sie. In diesem einen Augenblick davor scheint alles möglich.
„Im Dianabad“heißt das Foto von Lothar Rübelt. Es ist eines von vielen kleinen identitätsstiftenden Rot-WeißRot-Momenten einer Schau im Wiener mumok. „Photo/Politics/Austria“blickt auf das Republikjubiläum zurück – pointiert, kommentierend, selbstironisch. Bilder, die sich unauslöschbar in das kollektive Gedächtnis eingenistet haben – sie fehlen. Wie jenes, als Adolf Hitler 1938 den „Anschluss“verkündet – stattdessen ausgestellt ist eine Aufnahme von Menschen, die sich auf dem Dach eines Klohauses drängen, um den „Führer“mit Hakenkreuzwimpeln zu grüßen. Oder: Statt Leopold Figl im Mai 1955 auf dem Balkon des Belvedere sieht man den Auflauf von Reportern, die darauf warten, dass die Staatsmänner wieder herunterkommen.
Treffende Perspektivenwechsel dekonstruieren offizielle Österreich-Bilder und brechen Propaganda. Auf dem 100-JahrParcours begegnet man nicht nur Kanzler Engelbert Dollfuß oder Karl Schranz, sondern auch der spektakulären Erfindung des Wedelns 1957 auf dem Arlberg, den Neujahrskonzert-Nacktflitzern von 1982 oder dem Provokateur Christoph Schlingensief, der 1998 sechs Millionen deutsche Arbeitslose zum Baden im Wolfgangsee lud. Die tiefschwarzen Momente werden nicht ausgeblendet. Ein anonymes Foto zeigt 1944 den Zynismus des NS-Systems: Häftlinge in Mauthausen, die gezwungen wurden, Leidensgenossen auf dem Weg zur Hinrichtung zu begleiten – mit „fröhlicher Musik“. Ein empfehlenswerter Geschichtsunterricht.