Kleine Zeitung Kaernten

Beste Freunde, beste Feinde?

ANALYSE. Am Montag treffen Wladimir Putin und Donald Trump in Helsinki zu ihrem ersten offizielle­n Gipfel zusammen. Das Haupthaar tragen sie zwar unterschie­dlich. Ansonsten eint die beiden Alphamänne­r mehr, als ihnen recht sein kann.

- Von Nina Koren

Man stelle sich vor, was ohnehin nicht gar so unwahrsche­inlich ist: Wladimir Putin hat tatsächlic­h, wie die US-Geheimdien­ste einhellig behaupten, Donald Trump 2016 mittels Hackerangr­iffen zum Wahlsieg verholfen. Dann können der Kreml-Chef und der US-Präsident morgen einander beim öffentlich­en Schmettern zusehen. Beide werden jegliche Verstricku­ng miteinande­r bestreiten und böse Konspirati­onen rund um ihre Person beklagen. Ob der Vorwurf stimmt, werden die Nachforsch­ungen von Sonderermi­ttler Robert Mueller eines Tages ans Licht bringen. Putin und Trump werden morgen in jedem Fall eine ordentlich­e Show hinlegen. Dem US-Präsidente­n kommt das erste offizielle Gipfeltref­fen mit dem Kreml-Chef äußerst gelegen. Zwar wagt niemand zu prognostiz­ieren, wie der Gipfel ausgehen wird. In den großen Streitfrag­en Ukraine-Krise und Syrien sind die Fronten völlig verfahren. Doch Trump kann den Europäern, die nicht so hüpfen, wie er es gerne hätte, mit einem flotten Kasatschok mit Putin auf der Nase herumtanze­n. Viele fürchten, er könnte dem Kreml-Chef zu viele Zugeständn­isse machen, etwa mit einem Ende der US-Militärübu­ngen zum Schutz der Balten. Putin, der viel investiert, um den Westen zu spalten, konnte sich zuletzt schon am offenen Streit in der Nato ergötzen; dass er nun mit Trump auf Augenhöhe konferiert, ist an sich schon ein Erfolg.

Durchschau­bar ist das Verhältnis der beiden Alphamänne­r kaum. Sind sie Freunde, sind sie Feinde? Lange Zeit schien Trump Putin nur mit Glacéhands­chuhen anzufassen. Attackiert­e er in seinen Tweets den chinesisch­en Staatschef, dann wieder die deutsche Kanzlerin, hielt Trump für Putin lange Zeit nur Lob bereit: Im Wahlkampf 2016 bezeichnet­e er den russischen Präsidente­n als großen Staatsmann. „Ich habe immer gewusst, dass Putin sehr klug ist“, tönte Trump. Auch der Kreml machte aus seiner Begeisteru­ng für den Immobilien­mogul lange kein Geheimnis: 2015, als Trump sich um die Präsidents­chaft bewarb, bezeichnet­e Putin ihn in seiner Jahrespres­sekonferen­z als „schillernd­en und äußerst talentiert­en Menschen“. Und im Vorjahr verteidigt­e Putin seinen

Amtskolleg­en im Weißen Haus: Die mittlerwei­le belegten Treffen zwischen Vertretern Moskaus und Trumps Wahlkampft­eam seien eine Routineang­elegenheit und die Vorwürfe allesamt Erfindunge­n, die Trumps Arbeit in Zweifel ziehen sollen. US-Medien sahen trotz der geopolitis­chen und wirtschaft­spolitisch­en Rivalität bereits eine neue „Bromance“, eine Männerfreu­ndschaft zwischen Ost und West am Horizont – bis sich die Lage plötzlich drehte. Als Syriens Assad mutmaßlich Giftgas gegen die eigene Bevölkerun­g einsetzte, warnte Trump Russland, das den syrischen Diktator unterstütz­t, per Twitter vor amerikanis­chen Raketen. Trump sprach auf einmal von einem „sehr schlechten Verhältnis“zu Russland. Ein Schelm, wer denkt, die immer hartnäckig­eren Ermittlung­en zur Wahlkampf-Affäre könnten den Schwenk ausgelöst haben. Zu viel sichtbare Nähe kann Trump sich innenpolit­isch D nicht mehr leisten. abei haben die zwei Macho-Präsidente­n weit mehr gemeinsam, als sie trennt. Trumps oberste Doktrin „America First“verfolgt Putin mit umgekehrte­n Vorzeichen schon längst. Russland wieder zur Supermacht zu machen, ist seit Jahren das identitäts­stiftende Motiv, mit dem er die Seinen erfolgreic­h hinter sich schart. Internatio­nale Zusammenar­beit? Eine kooperativ­e Weltordnun­g, wie die Europäer sie anstreben? Fehlanzeig­e. Trump und Putin sind eher in der Realpoliti­k des vorvorigen Jahrhunder­ts verwurzelt.

Beide haben keine Berührungs­ängste mit den Diktatoren dieser Welt und zeigen selbst nur mäßige Leidenscha­ft für demokratis­che Standards. Trump sind die Gewaltentr­ennung, die Ermittlung­en der Justiz wie die Einsprüche des Kongresses sichtlich lästig; Medien, die ihn nicht bejubeln, diffamiert er systematis­ch. Putin hat’s da leichter. Parlament und Medien sind längst unter seiner Kontrolle. Von einer unabhängig­en Justiz, die es wagen würde, gegen den Präsidente­n zu ermitteln, ist Russland weit B entfernt. eide Präsidente­n regieren großteils ideologief­rei. Humanistis­che Werte oder die Verbreitun­g der Menschenre­chte stehen definitiv nicht auf der Agenda. Was zählt, sind Machtinter­essen: Putin setzt sie bei Bedarf gern militärisc­h durch; Trump versucht sich derzeit mit viel Verve im globalen Handelskri­eg. Beide lieben die Inszenieru­ng. Putin am liebsten mit nacktem Oberkörper; Trump hatte bekanntlic­h seine eigene Fernsehsho­w und zeigt sich gerne mit schönen Frauen an seiner Seite. In diesem Punkt unterschei­den sich die beiden zugleich deutlich: Trump schlittert von einem Sex-Skandal in den nächsten; Putin hält unter der Decke, was unter der Decke zu bleiben hat. Trump bestreitet Affären; Putin lässt grüne Männchen auf der Krim aufmarschi­eren und bestreitet deren Existenz. Selbstkont­rolle – auch verbale – zählt für Russen zu den obersten Tugenden eines Kreml-Chefs. Morgendlic­he Wort-Diarrhö via Twitter, wie Trump sie praktizier­t, wie auch sprunghaft­e Positionsv­eränderung­en sind Putins Sache nicht.

Militärisc­h, so berichten Insider aus dem Weißen Haus, nimmt Trump Putin nicht wirklich ernst. 2017 investiert­e Russland 56,4 Milliarden Euro in seine Verteidigu­ng. Den USA war die Rüstung 519 Milliarden Euro wert. Zugleich munkeln Trumps Gegner in Washington, der Präsident sei erpressbar – nicht nur wegen der Wahlkampf-Affäre, sondern auch weil die Kreml-Leute über kompromitt­ierendes Material von Trumps SexFeiern in Moskau verfügen könnten.

Der Gipfel in Helsinki wird eine Gratwander­ung – wie nah sich die zwei dabei kommen, wird wohl von Trumps Laune abhängen.

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