Hubert Patterer über Politik als Dauer-Marketing: Die Botschaft ist alles.
Gekonntes Marketing, in dem das Kalkül und die Botschaften die Inhalte überstrahlen, prägt die bisherige Politik der türkis-blauen Regierung. Sie sollte mehr wollen.
Was die Regierung bis nah an die Schmerzgrenze betreibt: Politik als Dauer-Marketing. Die Botschaft überlagert den Inhalt. Der Inhalt steht der Botschaft zu Diensten, die ihrerseits einer strengen Steuerung unterliegt. Es ist eine Politik, getränkt mit kalkulierter Symbolik. Das Eigentliche ist selten gemeint.
Dafür gibt es Beispiele. Das Kopftuchverbot für Mädchen ist so eines. Dass die meisten Kindergarten-Pädagoginnen noch nie einem Kind mit Kopftuch begegnet sind, ist einerlei. Es geht um das Zeichen, um das „Seht her!“. Ähnlich verhält es sich mit dem Verbot der Burka, einem Problem, das in der städtischen Wirklichkeit keines ist. Auch hier: Botschaft schlägt Inhalt.
Diese Botschaft als Grundmelodie ist situationselastisch einsetzbar. Sie dient mit Vorliebe auch der Abwehr anderer, unliebsamer Botschaften fernab der Migration, etwa der 12Stunden-Botschaft, wenn diese sich zum Gewölk verdichtet. Botschaften als Munitionsdepot, um rasch das Thema zu wechseln: So etwas lernt man im Grundwehrdienst der politischen Kommunikation. Das System Kurz arbeitet damit systematisch und professionell.
Dass seine Regierung unbeirrt abarbeitet, was sie auf die Agenda ihres Projekts geschrieben hat, ist ihr nicht vorzuhalten. Konsequenz und Geschlossenheit sind Vorzüge des Bündnisses. Sie bescheren ihm stabile Akzeptanz. Irritierend ist die penetrante Marketing-Schminke, die diese Koalition über alles und jedes kleistert. Das verleiht dem Tun etwas Unaufrichtiges und diskreditiert zudem berechtigte Anliegen.
Nach der Festlegung auf (begründbare) Deutschklassen fiel man in halber Kabinettsstärke in einer Volksschule ein und missbrauchte Kinder für politische Produktwerbung. Maßlose Inszenierungssucht führte auch in Spielfeld bei der (an sich sinnvollen) Übung für ein besseres Grenzmanagement im Fall neuer Flüchtlingsströme Regie. Herbert Kickl machte da- raus einen martialischen Tribünen-Event. Die Viertelmillion, die das Spektakel verschlang, waren Marketing-Kosten.
Bei der Sperre mehrerer Wiener Moscheen beließ man es nicht dabei, ruhig auf die Rechtslage zu verweisen, sondern trommelte die halbe Ministerriege zur Pressekonferenz zusammen. So stilisierte man die Maßnahme zu einem Staatsakt und lud Erdog˘an zum Gegenangriff auf Augenhöhe ein.
In der Rolle des EU-Vorsitzes verfolgt die Regierung die Strategie der doppelten Botschaften. Es ist ein tänzelndes Spiel zwischen innen und außen, ein Spiel mit Fiktionen (Abwicklung in Südafrika?) und viel sprachlichem Voodoo-Zauber („Ausschiffung“). Einmal reiht man sich ein in die Achse der „Willigen“und „Tätigen“in selbstgerechter Abgrenzung zu den „Untätigen“, dann wieder beschwört man den europäischen Geist. Das Ganze erinnert ein wenig an Michael Schanzes alte Sendung „1, 2 oder 3“. Kinder hüpfen flunkernd zwischen den Feldern hin und her, um im richtigen Augenblick richtig zu stehen, dort, wo das Licht ist. Reicht dieses Geschick?