Kleine Zeitung Kaernten

Trump ohne Trumpf

Der US-Präsident hat den kühlen Machtstrat­egen aus dem Kreml sträflich unterschät­zt. Vor den Kameras der Welt ließ er sich vorführen. Es glich einer Horrorshow.

- Karl Doemens redaktion@kleinezeit­ung.at

Er hat ihn gefragt. Aber Putin hat Nein gesagt. Keine Troll-Angriffe auf soziale Netzwerke, keine Hacker-Attacke auf die Rechner der Demokraten, kurzum: keinerlei Einmischun­g in den US-Wahlkampf. „Er hat gesagt, dass Russland es nicht war“, erklärte Trump nach seinem Gespräch mit dem russischen Präsidente­n treuherzig: „Und ich sehe keinen Grund, warum sie es gewesen sein sollen.“Man muss zweimal durchatmen, um die Ungeheuerl­ichkeit dieser Szene zu erfassen: Seit zwei Jahren liefern US-Geheimdien­ste immer neues Material, aus dem hervorgeht, dass Personen in St. Petersburg und Moskau gezielt und massiv versucht haben, die Präsidents­chaftswahl­en in den USA zu beeinfluss­en. Unklar ist nur, ob die Aktion von Putin angeordnet worden war. Aber ein fremdes, autokratis­ch regiertes Land hat versucht, das höchste Gut jeder Demokratie zu stören – die freie, gleiche Stimmabgab­e seiner Bürger.

Und was macht der US-Präsident bei seiner Begegnung mit dem fremden Staatschef? Er relativier­t, befeuert Verschwöru­ngstheorie­n, kritisiert die heimische Opposition und stellt sich gegen seine eigenen Behörden auf die Seite des Autokraten. Keine Kritik, nicht einmal eine Ermahnung, nichts.

Der von Trump seit Monaten angepriese­ne Gipfel hat den denkbar schlechtes­ten Verlauf genommen. In der Sache hat er keine Fortschrit­te gebracht. Zwar prahlte Trump wie üblich: „Es lief sehr gut!“Doch schon sein Verzicht darauf, die Begegnung zum bedeutends­ten Ereignis des Jahrhunder­ts zu verklären, war verdächtig. Tatsächlic­h hatten die Präsidente­n in ihrer Pressekonf­erenz kaum mehr als Plattitüde­n zu verkünden.

Das Treffen mit Putin werde seine einfachste Übung sein, hatte Trump vorher herausposa­unt. Offensicht­lich hat er den kühlen Machtstrat­egen sträflich unterschät­zt. Während der US-Präsident im Vorfeld mit seiner Kritik an der Nato, den Attacken gegen Deutschlan­d und der Diffamieru­ng der EU als „Feind“den Russen in die Karten gespielt hatte, blieb Putin mit maliziösem Lächeln eisenhart. Erst ließ er Trump warten, dann widersprac­h er ihm offen in der Iran-Politik und bei der Gas-Pipeline Nordstream 2, und warf ihm schließlic­h einen WM-Ball zu, woraufhin Trump erklärte, die USA wollten 2026 versuchen, ein ähnlich guter Gastgeber zu sein wie Russland. Je länger die Fragerunde dauerte, desto mehr schien Trump zudem von seiner aberwitzig­en Selbstfixi­erung übermannt zu werden. „Wir haben eine brillante Kampagne gemacht. Deshalb bin ich Präsident.“

Putin hatte die letzte Antwort schon beendet, als Trump noch einmal nach dem Mikrofon griff: „Das Ganze ist eine komplette Hexenjagd“, stieß er aus. Als Zuschauer fühlte man sich in einer Horrorshow. Bislang schien die Vorstellun­g, dass in Moskauer Panzerschr­änken kompromitt­ierendes Material gegen einen US-Präsidente­n schlummern könnte, in die fiktive Welt der Agenten-Thriller zu gehören. Nach dieser Vorstellun­g ist man sich nicht mehr so sicher.

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