Kleine Zeitung Kaernten

Vorbereitu­ng auf den Sturz in den Abgrund

Heute findet der erste EU-Rat zum Brexit unter österreich­ischer Führung statt. Es geht um Irland – und um das No-DealSzenar­io.

- Von Andreas Lieb, Brüssel

Gleich hinein ins kalte Wasser: Wenn Europamini­ster Gernot Blümel (ÖVP) heute in Brüssel zum ersten Mal als Vertreter des österreich­ischen Ratsvorsit­zes den Brexit-Rat leitet, stehen zentrale Punkte auf der Agenda.

Zum einen beschäftig­t sich der Rat mit dem „Weißbuch“von Theresa May zu den Beziehunge­n zwischen Großbritan­nien und der EU nach dem Ausstieg der Briten. Wie es in Brüssel heißt, sei man dankbar dafür, endlich eine konkrete Unterlage auf dem Tisch zu haben, allerdings bedürfe es noch zahlreiche­r Klarstellu­ngen darüber, wie sich die Briten das genau vorstellen – und natürlich, ob die EU damit auch leben kann. Bei einer ganzen Reihe von Vorschläge­n, etwa was neue Zollregeln betrifft, eher nicht.

Hauptthema dürfte aber die drängende Frage nach einer Lösung für Irland sein. EU-Chefverhan­dler Michel Barnier, der gestern Nachmittag nach dem Rücktritt von David Davies erstmals den neuen britischen Brexit-Minister Dominic Raab traf (mit der knappen Begrüßung: „Willkommen! Wir haben viel Arbeit“), drängt auf eine Lösung für die Grenze zwischen Irland und Nord- irland, die keine „harten“Kontrollen vorsieht. Auch die Zeit drängt, denn eigentlich sollten alle Fragen bis zum Gipfel im Oktober unter Dach und Fach sein.

Doch ob das klappt, ist fraglich. Und so räumte die EUKommissi­on gestern auch ein, dass es parallel zur Arbeitsgru­ppe Brexit auch ein eigenes Team gibt, das sich mit einem No-DealSzenar­io beschäftig­t. Denn enorm viel hängt davon ab, was am 30. März 2019 tatsächlic­h passiert: Handel, Flugverkeh­r, Reisende, Zugverbind­ungen – alles könnte Punkt Mitternach­t zum Stillstand kommen, wenn sich die Verhandlun­gen verzögern und es keine Vorbereitu­ngen dafür gibt. Als sicher gilt auch das Kappen des Datenausta­usches, zum Beispiel bei Bereichen wie Nahrungsmi­ttel, Gesundheit oder Verkehr.

Die EU-Kommission legte dazu gestern ein Papier vor, in dem alle Akteure (auch private Unternehme­n) aufgeforde­rt werden, die Schlagzahl zu erhöhen. Kommt es zu einer Einigung, gilt ja die Übergangsf­rist bis 1. Jänner 2021. Schafft man die Einigung nicht – was in dem Papier auch als „Sturz in den Abgrund“bezeichnet wird – dann tritt das EU-Recht schlagarti­g schon am 30. März 2019 außer Kraft.

Dabei gibt es noch eine weitere offene Flanke: Niemand will sich derzeit wirklich ausmalen, was passiert, wenn es im Vereinigte­n Königreich zu Neuwahlen kommt. So oder so, Großbritan­nien gilt ab kommendem Frühjahr als „Drittland“. Gernot Blümel und Michel Barnier wollen heute Nachmittag gemeinsam vor die Presse treten.

Theresa May versucht indessen, zumindest in Irland gute Stimmung zu machen. Gestern Abend reiste sie nach Nordirland, wo sie auch heute noch mit Wirtschaft­svertreter­n über die möglichen Perspektiv­en sprechen will. Auch May sagte, die britische Regierung bereite sich inzwischen darauf vor, dass es kein Abkommen geben könnte.

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APA Heute in Nordirland: Theresa May

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