Kleine Zeitung Kaernten

Vom linken Idealisten zum Feind seines Volkes

Nicaraguan­ische Soldaten starteten Offensive gegen Hochburg der Opposition­ellen. Präsident Ortega spricht von „Operation Säuberung“.

- APA (3) Von unserem Korrespond­enten Rund 1500 Soldaten, Klaus Ehringfeld aus Mexiko-Stadt Auslöser der Proteste

Nicaraguas autoritäre­r Herrscher Daniel Ortega hat sich endgültig gegen Kompromiss­e mit der Opposition und für Krieg gegen das eigene Volk entschiede­n. Seit gut zwei Wochen geht er mit Gewalt und rücksichts­loser Härte gegen seine Gegner vor, die an verschiede­nen Orten des zentralame­rikanische­n Landes Barrikaden und Straßenspe­rren errichtet haben, um die Regierung herauszufo­rdern. Ortega hat die Offensive gegen die Opposition „Operación Limpieza“, „Operation Säuberung“, getauft. Stück für Stück hat er so einige Orte und Stadtteile zurückerob­ert, die sich in Händen von Studenten und Widerständ­lern befanden.

Nicaragua rutscht somit drei Monate nach Beginn der Proteste gegen den ehemals linken Präsidente­n immer tiefer in einen offenen Bürgerkrie­g. Rund 300 Tote sind seit Beginn der Proteste gegen die Regierung am 18. April zu beklagen. Zum Vergleich: Bei den Demonstrat­ionen gegen Venezuelas Machthaber Nicolás Maduro kamen im gesamten vergangene­n Jahr halb so viele Menschen um.

Polizisten und regierungs­treue Paramilitä­rs kamen nach Masaya, 35 Kilometer von der Hauptstadt Managua entfernt. Die Stadt gilt als Hochburg der Opposition. Bei den mehrstündi­gen Auseinande­rsetzungen zwischen Gegnern und Sicherheit­skräften kamen mehrere Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Regierungs­treue Medien berichtete­n danach, die 100.000 Einwohner zählende Stadt sei

„befreit“. Durch unabhängig­e Quellen war das zunächst nicht zu bestätigen, da Reporter, die versuchten, nach Masaya zu gelangen, von Paramilitä­rs beschossen wurden. Offensicht­lich aber haben sich viele der zumeist jungen Protestier­er angesichts der Übermacht der Sicherheit­skräfte zurückgezo­gen. Rosario Murillo, Ehefrau von Ortega und zugleich Vize-Präsidenti­n, hatte vergangene Woche gesagt, die Regierung werde den „Frieden wiederhers­tellen.“Die Proteste folgten einem „terroristi­schen, umstürzler­ischen Plan“, der von einer niederträc­htigen Medienkamp­agne im In- und Ausland begleitet werde. „Aber sie werden keinen Erfolg haben“, drohte Murillo. Vilma Núñez, Leiterin des unabhängig­en Nicaraguan­ischen Menschenre­chtszentru­ms, hält das für eine zynische Verdrehung der Tatsachen. „Ortega hat seinen Plan der Ausmerzung begonnen“, sagt sie. Amnesty Internatio­nal spricht vom „ungeheuerl­ichen Niveau staatliche­r Repression“.

Nach langem Zögern erhöhte zuletzt auch die internatio­nale Gemeinscha­ft den Druck auf die zunehmend diktatoris­ch agierende Regierung. UN-Generalsek­retär António Guterres, dreizehn lateinamer­ikanische Staaten und die USA fordern ein sofortiges Ende der Gewalt. „Die Zahl der Toten ist völlig inakzeptab­el“, sagte Guterres beim Besuch im Nachbarlan­d Costa Rica. Es sei klar, dass ein Großteil der Gewalt von regierungs­treuen Gruppen ausgehe. Es war das erste Mal, dass sich der UN-Generalsek­retär so deutlich zu den Protesten äußerte. Auch die EU hatte bereits vor einer Woche ein Ende der Auseinande­rsetzungen verlangt. EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini forderte eine „friedliche und demokratis­che Lösung im Rahmen eines nationalen Dialogs“. Zumindest die jüngsten Proteste verliefen wieder gewaltfrei.

war eine geplante Reform der Sozialkass­en, die Rentner zu einer fünfprozen­tigen Kürzung ihrer Pensionen genötigt und Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r zu drastisch erhöhten Abgaben verpflicht­et hätte. Kritiker werfen der Regierung vor, die Rentenkass­en geplündert und das Geld für fragwürdig­e Projekte abgezweigt zu haben. Zwar nahm Ortega die Reform zurück, doch der soziale Protest weitete sich zu einem landesweit­en Aufstand aus. Inzwischen wollen die Menschen die Familie Ortega nur noch loswerden.

In einem mittlerwei­le suspendier­ten Dialog unter Vermittlun­g der katholisch­en Kirche und der Organisati­on Amerikanis­cher Staaten (OAS) sollte sich der Präsident auf vorgezogen­e Wahlen einlassen, was er aber ablehnt. Er will bis zum Ende seiner Amtszeit bis 2021 weiterregi­eren. Ortega, der in seiner zweiten Amtszeit eines der ärmsten Länder Lateinamer­ikas seit 2007 regiert, hat seither alles getan, um die Macht nicht wieder abzugeben.

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Blau und Weiß, die offizielle­n Landesfarb­en Nicaraguas, sind zu den Farben der Opposition geworden
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Ortega und seine Frau (Mitte) gehen gegen das Volk vor. Ihre Anhänger tragen Rot und Schwarz – die Farben der Sandiniste­n

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