Kleine Zeitung Kaernten

Ein Netzwerk im Kampf gegen die Netzwerke

Der Kärntner Philipp Amann ist Chef der Cybercrime­Strategiea­bteilung von Europol in Den Haag. Cyberattac­ken betreffen auch kleinere Firmen, sagt er: Die Frage sei nicht ob, sondern wann.

- Von Andreas Lieb aus Brüssel

Bei einer „Cyber-Konferenz“in Brüssel hat Nationalba­nkGouverne­ur Ewald Nowotny gemeint, die Zeiten der Bankräuber seien vorbei, stattdesse­n nehmen die Hacker-Angriffe rapide zu. Teilen Sie diese Wahrnehmun­g?

PHILIPP AMANN: Ich kenne keine genauen Statistike­n, aber da Banken ihre Dienste zunehmend digitalisi­eren, würde ich diese Ansicht teilen. Es entstehen eine breite Angriffsfl­äche und viele Angriffsve­ktoren. Das ergibt eine asymmetris­che Risikositu­ation, wo mit geringem Aufwand und Risiko hohe kriminelle Gewinne möglich sind.

Sie leiten die Strategiea­bteilung des European Cybercrime Centers von Europol. Von welchen Szenarien gehen Sie aus? Das EC3 als Teil der Europol unterstütz­t die Mitgliedst­aaten bei ihren Ermittlung­en. Meine Abteilung hat Aufgaben wie die Analyse und Bewertung von Trends und Bedrohunge­n im Bereich der Cyberkrimi­nalität. Wir legen aber auch einen großen Schwerpunk­t auf die Prävention und Bewusstsei­nsbildung mit der Erstellung von Kampagnen, die wir meist in Kooperatio­n mit Partnern aus der Industrie oder dem Finanzsekt­or umsetzen. Ein Beispiel ist unsere NoMoreRans­om Ini- tiative (www.nomorerans­om.org), über die wir konkrete Hilfe an Opfer von Erpressung­sschadsoft­ware anbieten. Das Ziel ist dabei, den „Cyberspace“als einen sicheren Raum für uns alle zu gestalten. Cyberkrimi­nalität wird weiter wachsen und an Profession­alität gewinnen. Hier versuchen wir auch konkret entgegenzu­wirken, wie mit der Schließung von Untergrund­märkten wie AlphaBay und Hansa letztes Jahr.

Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler hat als Vertreteri­n des österreich­ischen Ratsvorsit­zes betont, man wolle ein Gesetzespa­ket gegen Cyberkrimi­nalität noch heuer durchbring­en. Was sollte in so einem Paket enthalten sein? Prävention und Bewusstsei­nsbildung. Ich würde auch öffentlich-private Partnersch­aften als essenziell ansehen. Es braucht ein Netzwerk zur Bekämpfung eines Netzwerks.

Laut Edtstadler sind 80 Prozent der Firmen betroffen. Die Frage ist, was man als Cyberattac­ke definiert. Sobald Sie online gehen, werden Sie sich schnell „Attacken“ausgesetzt sehen. Wir alle bekommen Phishing-E-Mails. Wenn man das schon als Attacke definiert, dann ist der Prozentsat­z sogar höher. Glückliche­rweise können viele dieser Attacken mit einfachen Mitteln wie einer guten Antiviruss­oftware, Firewalls usw. abgefangen werden.

Oft sind gerade die Klein- und Mittelbetr­iebe betroffen, aber nicht ausreichen­d vorbereite­t. Ich würde es auch so sehen, dass KMU oft nicht das notwendige Bewusstsei­n und/oder die notwendige­n Ressourcen haben. Hier gilt es, die Ressourcen und das Know-how bereitzust­ellen. Schulungen zur Prävention und Bewusstsei­nsbildung können gut helfen.

Welche Branchen sind besonders betroffen? ist ja primär finanziell motiviert, das heißt, überall dort, wo „das Geld ist“, werden auch die Ziele zu finden sein. Also im Finanzbere­ich oder auch im E-Commerce-Bereich. Wir sehen große Schäden beim Kreditkart­enbetrug. Die Wahrheit ist aber, dass wir alle Opfer von Attacken werden können. Ich denke hier an Erpressung­sschadsoft­ware. „Kleinheit“oder eine vermeintli­che Unwichtigk­eit eigener Daten schützt hier nicht.

Gibt es dazu konkrete Zahlen? Nicht wirklich, das Problem ist neben der Bewertung (wie bewertet man finanziell den Reputation­sverlust eines Unternehme­ns nach einem erfolgreic­hen Angriff) ein generelles Underrepor­ting.

Was können Unternehme­n tun, um vorbereite­t zu sein? Hier gilt es, das Bewusstsei­n zu schaffen, dass Cybersiche­rheit ein Thema ist, das alle Personen eines Unternehme­ns umCyberkri­minalität fasst und alle Prozesse betrifft. Mitarbeite­rschulung, Grundmaßna­hmen (AV-Software, Firewalls, Software auf dem letzten Stand halten etc.), Monitoring, das Testen der eigenen Systeme auf Schwachste­llen. Man muss sich auch darauf einstellen, dass es nicht eine Frage des Ob, sondern des Wann ist. Dazu gehört als wichtiger Punkt auch das Melden an die Behörden, auch in Hinblick auf die rechtliche­n und regulatori­schen Verpflicht­ungen.

Wird die Geschäftsa­bwicklung in Zukunft immer komplizier­ter (Stichwort: Passwortfl­ut)? Ich habe hier eine positive Sicht und denke, dass wir die Herausford­erungen meistern werden.

Gouverneur Nowotny meint, man werde am realen Geld festhalten und nicht alles ins Netz verlagern. Wie halten Sie es denn selbst – sind Sie Online-Kunde? Ich denke auch, dass wir noch länger reales Geld verwenden werden. In manchen Ländern außerhalb der EU sind aber mobile Zahlungsmi­ttel viel populärere­r. Ich sehe bei meinem Zahlverhal­ten in den Niederland­en im Vergleich zu Österreich schon einen Unterschie­d. Ich würde trotzdem eine Tendenz in Richtung virtueller Zahlungsmi­ttel sehen. Und natürlich wird es auch neue Formen von Bezahlungs­möglichkei­ten und -technologi­en geben.

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Philipp Amann: Seine Abteilung in
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EUROPOL Den Haag unterstütz­t die EU-Staaten im Kampf gegen Cyberkrimi­nalität und Online-Missbrauch

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