Intendant unter Verdacht
Fünf Künstlerinnen erheben schwere Anschuldigungen gegen Erl-Intendant Gustav Kuhn. Dieser droht mit Klagen.
Neue Vorwürfe gegen den Dirigenten und Intendanten der Tiroler Festspiele Erl, Gustav Kuhn: In einem offenen Brief wendeten sich nun fünf Musikerinnen an Hans Peter Haselsteiner, der als Präsident der Festspiele fungiert. Sie klagen in dem Schreiben über sexuelle Übergriffe und anhaltenden Machtmissbrauch des Intendanten. Alle Frauen waren in der Vergangenheit in Erl engagiert. Kuhn weist die umfangreichen Vorwürfe zurück.
Es ist nicht das erste Mal, dass der „Maestro“in der Kritik steht. Allerdings ist es das erste Mal, dass sich Künstler mit Vorwürfen sexueller Übergriffe namentlich an die Öffentlichkeit wenden – und damit die derzeit laufenden Festspiele in Bedrängnis bringen. Die Anschuldigungen gingen bisher nur anonym ein. Erstmals gelangten im Februar 2018 Vorwürfe an die Öffentlichkeit. Damals war von „modernem Sklaventum“die Rede. Zudem wurde von Lohndumping und sexuellen Übergriffen berichtet.
Die Verantwortlichen der Festspiele drohten mit Klagen. Kuhn sprach von „unhaltbaren Anschuldigungen“und wehrte sich gegen Vorverurteilungen: „Wenn das Gericht zu einem Urteil kommt, dann ist es so. Aber bevor das Gericht nicht zu einem Urteil kommt, ist es so nicht. Das sagt unser Rechtsvon staat.“Auch Haselsteiner nahm seinen Intendanten in Schutz und vermutete politische Motive. Man wolle die ÖVP knapp vor der Tiroler Landtagswahl treffen. Später im Jahr folgten weitere Anschuldigungen und Dementis, ehe gestern das unterzeichnete Schreiben auftauchte.
„Massive seelische Gewalt in Form von Mobbing, öffentlicher Bloßstellung, Demütigung und Schikane“seien auf der Tagesordnung gestanden, heißt es darin. „Auch einige uns waren solchen ausgesetzt: unerwünschtes Küssen auf den Mund oder auf die Brust, Begrapschen unter dem Pullover, Griff zwischen die Beine etc., von obszöner verbaler Anmache ganz zu schweigen. Immer wieder wurden die Grenzen der persönlichen Würde und des Respekts uns gegenüber missachtet und überschritten. Regelmäßig waren wir der ungehemmten Aggression des künstlerischen Leiters ausgesetzt.“
Die Künstlerinnen Aliona Dargel, Bettine Kampp, Ninela Lamaj, Julia Oesch und Mona Somm zeigten sich empört, dass „trotz der allseits bekannten Faktenlage die notwendigen Konsequenzen noch immer auf sich warten lassen, sowohl vonseiten der Präsidentschaft der Festspiele als auch vonseiten der Politik“. Tirols Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) ließ wissen, die Vorwürfe würden sie „sehr betroffen“machen. Nach einer Prüfung durch die Staatsanwaltschaft wolle man weitere Schritte setzen. Nicht so lange warten wollen die Tiroler Grünen, Koalitionspartner der ÖVP auf Landesebene. Sie verlangten die vorläufige Suspendierung Kuhns.
Kuhn selbst ließ die Vorwürfe über seinen Anwalt zurückweisen – und stellt als Antwort auf die „Menschenjagd“jetzt Klagen in Aussicht.