Gentechnik bleibt streng reguliert
EuGH: Auch neue Verfahren fallen unter die strengen EU-Regeln. Umweltorganisationen jubeln, doch die Saatguthersteller sehen die Entscheidung kritisch.
Bereits seit der Jahrtausendwende ist die Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut in der EU sehr streng geregelt. Unter anderem müssen Hersteller eine umfangreiche Risikoeinschätzung durchführen und Produkte aus solchen Organismen müssen klar gekennzeichnet sein.
Allerdings hat sich die Forschung seit Erlassen der Gentechnik-Richtlinie weiterentwickelt. Während anfangs vor allem fremde Gene in Pflanzen eingefügt wurden, die sogenannte Transgenese, geht es bei neuen Technologien wie der Mutagenese, bekannt durch die Genschere Crispr, im Prinzip darum, Züchtung zu beschleunigen. Üblicherweise wählen Hersteller Pflanzen mit bestimmten Eigenschaften aus und vermehren diese, es entstehen Mutationen. Das geschieht so lange, bis man das gewünschte Ergebnis hat. Ein Prozess, der Jahre dauern kann. Bei der Mutagenese wird das Erbgut der Pflanzen so manipuliert, dass die Mutation genau gesteuert werden kann. Da kein fremdes Gen eingefügt wird, wollten Saatguthersteller diese Pflanzen nicht als gentechnisch veränderte Organismen, kurz GVO, kennzeichnen. Doch der Europäische Gerichtshof, EuGH, ist anderer Ansicht. Mit Mutagenese manipulierte Pflanzen fallen unter die strengen EU-Regeln.
Ein großer Sieg für Umweltorganisationen wie Greenpeace oder Global 2000. Begrüßt wird das klare Bekenntnis im Sinne der Umwelt und der Gesundheit, ebenso die Klarstellung für Konsumenten und Betriebe, die in die Produktion gentechnikfreier Lebensmittel investiert haben. Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein sieht in dem Urteil eine Stärkung der österreichischen Regeln zur Gentechnikfreiheit: „So kann das hohe Niveau in Österreich aufrechterhalten werden.“
Abwartend reagiert die Landwirtschaftskammer. Generalsekretär Ferdinand Lembacher zeigt sich vom Urteil überrascht: „Wir müssen das genau anschauen. Vor allem die nationalen Interpretationsspielräu- me.“Damit meint er die einzige Ausnahme, die der EuGH macht. Durch Mutagenese veränderte Pflanzen, die schon lange als sicher gelten, müssen nicht gekennzeichnet werden. Die Nationalstaaten dürfen jedoch so eine Verpflichtung erlassen. Lembacher fordert auch eine Kennzeichnung für solche Gen-Produkte, die aus NichtEU-Staaten importiert werden.
Negativ wird das Urteil von Saatgutherstellern gesehen. Michael Gohn, Obmann von Saatgut Austria, sieht einen immensen Schaden für kleine und mittelständische Züchter. Diese hätten im Gegensatz zu großen Agrarkonzernen nicht die Ressourcen, um die strengen EUVerfahren durchzuführen. Außerdem sei der Import nicht kontrollierbar. Es gebe kaum Testverfahren, um konventionelle Zucht von Mutagenese zu unterscheiden. Hier widerspricht der Greenpeace-Experte Sebastian Theissing-Matei: „Man kann die Lieferketten verfolgen.“Doch auch er sieht einen Vorteil für die großen Konzerne: „Die Großen haben es in allen Bereichen leichter.“