Mullahs in Not
Eine Woche vor den neuen US-Sanktionen sucht das iranische Regime nach Rezepten, um das Land zu stabilisieren.
Das Foto aus dem iranischen Regierungsjet sollte Gelassenheit signalisieren. Nebeneinander auf den bequemen Sesseln saßen Hassan Rohani und Mohammad Dschawad Sarif, vor sich einen Laptop, und schüttelten sich vor Lachen. „Der iranische Präsident und der Außenminister lesen Tweets von Trump“, lautete die spöttische Zeile der Twitter-Botschaft. In Großbuchstaben hatte der USPräsident zuvor Teheran mit Konsequenzen gedroht, „wie sie im Laufe der Geschichte bisher nur wenige erlitten haben“. Rohani konterte ihm mit der Gewissheit einer Nation, die seit über 3000 Jahren existiert und auf ein historisches Greenhorn wie die Vereinigten Staaten nur milde herabblickt.
Der Schein trügt. In Wirklichkeit liegen in Irans Führung die Nerven blank. Die ausländischen Firmen verlassen in helUnd len Scharen das Land, und eigentlich weiß niemand, wie es weitergehen soll. Denn nichts geht voran bei den Dauerkrisen, die den Iran plagen – Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption, Bankenversagen, Wassernot und chronischer Unmut. Obendrein erlebt die iranische Währung einen rasanten Absturz, eine Woche vor den neuen US-Sanktionen, die am kommenden Montag in Kraft treten. Seit dem Wochenende verfiel der Rial gegenüber dem Dollar um weitere 30 Prozent und steuert nun auf die absolute Rekordmarke 120.000 zu. Anfang des Jahres lag der Kurs für einen Dollar noch bei 35.000 Rial.
Staatsfernsehen platzte dieser Tage einem Wirtschaftsprofessor der Kragen. Menschen hätten kein Vertrauen mehr in das Bankenwesen, sagte Hossein Raghfar. Of- fizielle würden ein aristokratisches Leben im Norden Teherans führen, fernab vom Elend und der Not im Süden der Metropole, schimpfte er und sprach vielen Mitbürgern aus dem Herzen. Rohanis Regierung habe keine Vorstellung, welche Auswirkungen die USSanktionen auf den Iran haben könnten, kritisierte auch der Wirtschaftsanalytiker Saeed Laylaz, der dem Reformlager nahesteht. „Ihre Strategie ist die einer Feuerwehr, sie kommen zum Löschen, wenn es bereits brennt.“
so verdichten sich die Anzeichen, dass die bedrängte Führung versuchen könnte, die gesamte politische Elite des Landes zu mobilisieren, die tiefen Gräben zwischen Hardlinern und Reformern zu überbrücken, um gemeinsam die Existenz der Islamischen Republik zu retten. Seit dem Wochenende kursiert das Gerücht, der jahrelange Hausarrest der Ikonen der Grünen Bewegung von 2009, Mir-Hossein Mousawi, seiner Frau Zahra Rahnavard und Mehdi Karroubi, könnte bald aufgehoben werden.
Gleichzeitig soll offenbar auch der jahrelange Medien-Bann für den 74-jährigen Ex-Reformpräsidenten Mohammad Cha¯tami fallen. Karroubis Sohn Hossein ging als Erster mit der Neuigkeit an die Öffentlichkeit und berief sich dabei auf Kontakte zum Nationalen Sicherheitsrat. Nach seiner Darstellung werde das Gremium den Fall nun dem Obersten Revolutionsführer Ali Chamenei vorgelegen, der innerhalb der nächsten zehn Tage noch sein Veto einlegen kann. Parlamentspräsident Ali Larijani hingegen, der dem Sicher- heitsrat ebenfalls angehört, ließ erklären, er wisse nichts von einem solchen Beschluss. Dagegen nannte die Website Tabnak, die dem früheren Kommandeur der Revolutionären Garden, Mohsen Rezaie, nahesteht, mit dem 20. August bereits das angebliche Datum der Freilassung, am Beginn des heurigen Opferfestes, des höchsten Feiertags der islamischen Welt. In die gleiche Richtung deutet Vizepräsident Eshaq Jahangiri. Der Iran werde schon bald, sagte er, „eine große Demonstration nationaler Einheit“erleben.