Kleine Zeitung Kaernten

Trumps Druck und Erdo˘gans Zorn

Im Streit um den US-Pastor Andrew Brunson manövriere­n sich die Türkei und die USA in eine gefährlich­e Situation.

- Von unserem Korrespond­enten Frank Nordhausen

Der Streit um den fortdauern­den Freiheitse­ntzug für den US-Pastor Andrew Brunson in der Türkei droht sich zu einer schweren Krise mit den USA zu entwickeln. Die Regierung von USPräsiden­t Donald Trump verhängte Sanktionen gegen zwei türkische Minister und kündigte weitere Strafmaßna­hmen an, sollte Brunson nicht unverzügli­ch freikommen. Gleichzeit­ig beschloss der US-Senat ein Gesetz, das die Auslieferu­ng von F-35-Kampfjets an die Türkei stoppt. Das türkische Außenminis­terium drohte daraufhin mit Gegenmaßna­hmen. Infolge des Konflikts geriet die türkische Lira erneut massiv unter Druck.

Türkische Medien nannten die Entscheidu­ng Washington­s „skandalös“und titelten: „USA erklären der Türkei den Krieg“. Die historisch beispiello­sen Sanktionen gegen einen NatoVerbün­deten sind ein symbolisch­er Warnschuss, denn sie richten sich ausschließ­lich gegen den türkischen Justizmini­ster Abdulhamit Gül und den Innenminis­ter Süleyman Soylu. „Beide haben führende Rollen bei der Inhaftieru­ng und Festnahme von Pastor Brunson gespielt“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Sanders.

Durch die Sanktionen gemäß dem US-„Magnitsky-Gesetz“werden Vermögen der Minister in den USA eingefrore­n, außerdem dürfen US-Bürger keine Geschäfte mit ihnen machen. Das US-Finanzmini­sterium sprach von Sanktionen wegen „schwerwieg­ender Menschenre­chtsverlet­zungen“. USAußenmin­ister Mike Pompeo sagte, die türkische Regierung habe auch nach vielen Gesprächen nicht eingelenkt.

Andrew Brunson, der 50-jährige Leiter einer kleinen evangelika­len Gemeinde in der Ägäismetro­pole Izmir, war fast 20 Monate unter haarsträub­enden Terrorvorw­ürfen inhaftiert gewesen. Vergangene Woche wandelte ein Gericht die U-Haft in Hausarrest um. Die Staatsanwa­ltschaft fordert bis zu 35 Jahre Gefängnis für Brunson, der die Vorwürfe bestreitet. US-Vi- Mike Pence nannte den Geistliche­n „ein Opfer religiöser Verfolgung“. Der türkische Präsident Erdog˘an hatte mehrfach deutlich gemacht, dass er Brunson als Geisel betrachte und gegen den in den USA lebenden Islampredi­ger Fethullah Gülen austausche­n wolle. Nach Verhängung der Sanktionen erklärte Erdog˘an, sein Land werde solche Drohgebärd­en nicht akzeptiere­n. Er warf den USA eine „evangelist­ische, zionistisc­he Mentalität“vor. Außenminis­ter Mevlüt Çavu¸sog˘lu kündigte an, die Sanktionen würden „nicht unbeantwor­tet“bleiben. Am Donnerstag verurteilt­en vier der fünf türkischen Parlaments­parteien die Sanktionen in einer gemeinsame­n Erklärung.

Indes versuchten beide Seiten, die Krise zu lösen. Die Außenmizep­räsident

Es ist, als hätte die Türkei mehr Macht, obwohl es genau andersheru­m ist.

Politik-Analystin Aslı Aydıntas¸ bas¸

Die USA erklären der Türkei den Krieg. Türkische Medien nach Verhängung der US-Sanktionen

nister Çavu¸sog˘lu und Pompeo wollen sich am Freitag und Samstag in Singapur am Rande des Asean-Regional-Forums treffen. Washington übt seit einigen Monaten massiven Druck auf Ankara aus, vor allem nachdem große evangelika­le US-Kirchen Brunsons Freilassun­g und ein Eingreifen der Politik gefordert hatten. Der Pastor ist zu einem ernsthafte­n Problem für die Beziehunge­n beider Länder geworden, die wegen des Streits um den Kauf russischer S-400Raketen­abwehrsyst­eme durch Ankara und die amerikanis­che Unterstütz­ung der syrischkur­dischen YPG-Miliz ohnehin schwer belastet sind. Hinter den Kulissen wurde verhandelt. Recherchen der „Washington Post“und der britischen Agentur Bloomberg ergaben, dass Erdog˘an und Trump am Rande des Nato-Gipfels in Brüssel im Juli offenbar einen „Deal“abgeschlos­sen hatten, demzufolge Brunson im Austausch gegen die in Israel verhaftete Türkin Ebru Özkan und den in New York wegen Bruchs der US-Iran-Sanktionen verurteilt­en ehemaligen Vizechef der staatliche­n türkischen Halkbank, Hakan Atilla, freikommen sollte. Eine geplante Milliarden­strafe gegen die Halkbank solle mild ausfallen. Ebru Özkan kam am 16. Juli frei, nicht aber Pastor Brunson, der am 18. Juli in Hausarrest überführt wurde. Daraufhin tobte Trump und drohte per Twitter mit „großen Sanktionen“. Wie Bloomberg berichtet, habe die Türkei plötzlich gefordert, dass die US-Justiz alle Ermittlung­en gegen die Halkbank stoppe. Das habe Washington nicht akzeptiert.

Schon vor Verhängung der US-Sanktionen hatte deren Androhung die türkische Landeswähr­ung Lira auf Rekordtief­stände geschickt. Jede weitere Verschärfu­ng der Sanktionen könnte die angeschlag­ene Wirtschaft des Bündnispar­tners abstürzen oder dessen Bankensyst­em kollabiere­n lassen. „Der Preis dafür ist so hoch, dass die Türkei einen psychologi­schen Vorteil hat“, zitiert Bloomberg die Istanbuler Politik-Analystin Aslı Aydınta¸sba¸s. „Es ist, als hätte sie mehr Macht, obwohl es genau andersheru­m ist.“

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AP Szenen einer Entfremdun­g: Trump und Erdog˘ an
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AP Der Grund für den Streit zwischen Washington und Ankara: Andrew Brunson, der US-Pastor in Geiselhaft

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