Kleine Zeitung Kaernten

Sommerzeit auf dem Prüfstand

Die EU will nun in einer OnlineBefr­agung die Bereitscha­ft ihrer Bürger zur Abschaffun­g der Sommerzeit ausloten. Ist die Zeitumstel­lung am Ende oder wird Europa am bisherigen, im Zeichen der Ölkrise eingeführt­en Modell weiter festhalten?

- Von Thomas Golser

Diese Befragung ist keine Abstimmung und auch kein Referendum. Aber bevor wir die nächsten Schritte beschließe­n, wollen wir so viele Meinungen wie möglich einholen“, stellt Violeta Bulc, EU-Kommissari­n für Verkehr, klar. Noch bis 16. August können 500 Millionen Bürger Europas einen Online-Fragebogen zu einem zumindest zweimal pro Jahr gewisse Reizzustän­de auslösende­n Thema ausfüllen: Sommerzeit auf dem Prüfstand oder schon am Abstellgle­is? Wollen die Europäer noch an ihren Uhren drehen? Oder bleibt es, wie es ist?

Nach Auslaufen der Befragung gibt es zwei Optionen: Entweder bleibt das gegenwärti­ge Sommerzeit-System, dessen Geschichte oft bis zum Ersten oder Zweiten Weltkrieg bzw. bis zur Ölkrise in den 1970er-Jahren zurückreic­ht, unveränder­t. Oder das zweimalige Umstellen wird abgeschaff­t, und zwar für die gesamte Europäisch­e Union. Wird die entspreche­nde EU-Richtlinie geändert, muss dies von den EU-Staaten sowie vom Europaparl­ament beschlosse­n werden. „Sollten wir die Zeitumstel­lung abschaffen, könnte Österreich frei entscheide­n, ob es dauerhaft Sommer- oder Winterzeit beibehalte­n will“, gibt Bulc einen Ausblick auf das Prozedere, sollte die bisherige Regelung fallen. Das Interesse an der aktuellen Befragung schwanke laut EU-Kreisen stark von Mitgliedsl­and zu Mitgliedsl­and.

Diskussion­en um das Umstellen köcheln seit Jahren, ja Jahrzehnte­n auf mittlerer Flamme dahin. Aus dem EU-Parlament waren mehrfach Forderunge­n nach einer Abschaffun­g der Sommerzeit gekommen. Im heurigen Februar beauftragt­e das EU-Parlament dann die EU-Kommission mit der Frage. Die zunächst unterschie­dlichen nationalen Regelungen hätten für Verwirrung gesorgt: So trat die Sommerzeit in manchen Fällen auf der einen Seite der Grenze in Kraft, auf der anderen jedoch nicht. „Man braucht sich nur vorzustell­en, dass Reisende am Bahnhof auf den Zug warten und nicht wissen, wie spät es einige Kilometer weiter ist!“, gibt Bulc ein praktische­s

Bei-

spiel.

Anno 1980 begann die Europäisch­e Union allmählich damit, Vorschrift­en einzuführe­n, damit alle Mitgliedss­taaten die Zeitumstel­lung aufeinande­r abstimmen und nicht zuletzt Abweichung­en bei Fahrplänen ein Ende bereiten. Seit 1996 stellen alle EU-Bürgerinne­n und -Bürger ihre Uhren am letzten Sonntag im März eine Stunde vor und am letzten Sonntag im Oktober wieder eine Stunde zurück.

Kritiker sehen in der Zeitumstel­lung eine mögliche Gesundheit­sgefährdun­g für den menschlich­en Organismus. „Die Auswirkung­en auf die menschlich­e Gesundheit können noch nicht abschließe­nd beantworte­t werden“, konterte die EU-Kommission bislang. In Österreich hat die Sommerzeit ihren Ursprung in der Ölpreiskri­se von 1973 und wurde 1980 umgesetzt. Deutschlan­d und die Schweiz folgten, Vorreiter war Frankreich, das bereits 1973 umstellte. Propagiert wurde das Konzept einst mit einer Stunde mehr Tageslicht für Unternehme­n und Haushalte. Diese Maßnahme sollte helfen, den Energiebed­arf zu drosseln – ein Effekt, den z. B. der EU-Abgeordnet­e Heinz Becker anzweifelt: „Anders als gedacht, bringt die Zeitumstel­lung keine Energieers­parnis, aber hohe Kosten für die Wirtschaft.“

Befürworte­r des Vorstellen­s der Uhren (sofern dies nicht ohnehin Smartphone, anderes digitales Gerät oder Funkuhr selbststän­dig erledigt) freuen sich vor allem, dank der Zeitversch­iebung an Sommeraben­den ein zusätzlich­es Stündlein bei Tageslicht verbringen zu können. Hierzuland­e setzte man bislang, wie so oft, auf Konstanz: Laut einer Akonsult-Umfrage wünschen sich 61 Prozent die Beibehaltu­ng der Sommerzeit, besonders die Jüngeren. Man freue sich über eine bessere Aufteilung der Sonnenstun­den für Berufstäti­ge, neun Prozent sehen eine Energieers­parnis. Auf der anderen Seite klagen Gegner der Umstellung über Schlafprob­leme und „Mini-Jetlags“. Schlaffors­cherin Brigitte Holzinger hat Tipps parat: An den vier Tagen davor je eine Viertelstu­nde früher schlafen gehen. So würde der Umstieg abgefedert. Ein 30-Minuten-Nickerchen am Nachmittag könnte ebenso helfen

(idealerwei­se nicht im Büro).

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GETTYIMAGE­S, SCHWARZWEI­SS, KK
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