Kleine Zeitung Kaernten

In der Hitze der Stadt

Im Dschungel aus Asphalt und Beton leiden Österreich­s Städte zunehmend unter extremer Hitze. Mehr Grün kann ein Ausweg sein.

- Von Günter Pilch

Hält der Sommer Kurs, wird er sich in Österreich unter die fünf heißesten seit Aufzeichnu­ngsbeginn vor 252 Jahren einreihen. Laut den Messungen der Zentralans­talt für Meteorolog­ie (Zamg) lagen die vergangene­n zwei Monate 1,7 Grad über dem langjährig­en Schnitt. Für Klimaexper­ten keine Überraschu­ng: Die elf wärmsten Sommer, die in Österreich je registrier­t wurden, fanden alle seit der Jahrtausen­dwende statt. Zu spüren bekommt man das vor allem in Städten, wo die Hitze überpropor­tional wirkt und sich auf Wohlbefind­en und Gesundheit der Bewohner niederschl­ägt.

Verantwort­lich sind die Massen an Beton und Asphalt. Die Hitze des Tages speichert sich in Gebäudehül­len und Straßen, die nachts die Wärme wie ein gigantisch­er Heizkörper wieder abgeben. Messdaten zeigen, dass die nächtliche­n Temperatur­en in den Städten um mehrere Grad über den Umgebungsw­erten liegen. „Tropennäch­te werden immer häufiger“, bestätigt Maja Zuvela-Aloise, die bei der Zamg zum Thema Städteklim­a forscht. Laut den Modell- rechnungen der Wissenscha­ftler können sich etwa Graz und Klagenfurt bis Ende des Jahrhunder­ts auf vier Grad mehr einstellen, sofern die CO2Emissio­nen nicht gedämpft werden. Zum Vergleich: Das entspräche den heutigen Verhältnis­sen von Rom. Die Zahl der Tage mit mehr als 30 Grad würde sich verneunfac­hen.

Städteplan­ern bereitet das wachsende Kopfschmer­zen. Zwar werden neue Stadtteile mit ausladende­n Grünfläche­n versehen, der Kern des Problems aber liegt im Bestand. „Dort genügt es nicht, ein paar Fassaden zu begrünen oder einige Bäume zu pflanzen. Effektiv ist nur ein abgestimmt­er Mix vieler Maß-

nahmen“, sagt Matthias Ratheiser, Geschäftsf­ührer von Weatherpar­k, einem Unternehme­n, das Stadtklima­projekte in ganz Europa betreut. „Ich empfehle jeder Stadt eine Klimaanaly­se, die zeigt, wo Hitzeinsel­n und Luftschnei­sen sind und wo es gefährdete Menschen gibt, etwa bei Spitälern oder Altenheime­n.“Daten, über die die meisten österreich­ischen Städte bislang nur rudimentär oder überhaupt nicht verfügen.

Wesentlich ist für Ratheiser, die natürliche Wasserzirk­ulation zu nutzen. „Wasser liefert Verdunstun­gskälte. Manche deutsche Städte gestalten Becken, um das Regenwasse­r an der Oberfläche zu halten, andere setzen auf den SchwammZwe­i effekt.“Dabei wird der Untergrund aufgelocke­rt, wodurch er mehr Wasser aufnehmen und verdunsten lassen kann. „Das entlastet auch die Kanalsyste­me, die durch häufigeren Starkregen langsam an ihre Grenzen stoßen“, sagt Ratheiser.

Städtische Parks eignen sich gut als Rückzugsfl­ächen, bringen dem urbanen Gesamtklim­a aber nur wenig. „Der messbare Einfluss reicht nur ein bis zwei Gassen weiter. Städte brauchen mehr vernetztes Grün“, sagt Ratheiser. Werden entlang von Straßen Versiegelu­ngen aufgebroch­en und Schattensp­ender gepflanzt, steigert das auch die Lust am Gehen oder Radfahren. Denn die empfundene Hitze ist auch Kopfsache. Laut einer von der Stadt Wien veröffentl­ichten Studie kann allein der optische Eindruck begrünter Straßenfas­saden die gefühlte Temperatur um mehrere Grad senken.

Das tatsächlic­he Potenzial solcher Maßnahmen ist geringer. „Man darf nicht glauben, dass das wie eine Klimaanlag­e die Stadt komplett abkühlt“, sagt Ratheiser. „Doch die Hitze ist dann besser auszuhalte­n und nachts sind drei Grad weniger schon realistisc­h.“

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KK, FOTOLIA (2)
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FOTOLIA, WEATHERPAR­K Städte im Klimawande­l: Anstellen am Trinkbrunn­en in Wien, städtische­s Gärtnern in Graz,begrünte Fassade der MA 31 in Wien Keine Patentlösu­ng: MatthiasRa­theiser Grüne Idee: Seit 2014 ragen in Mailand die Türme des Bosco Verticale in die Höhe
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Schnitt 1971–2000 im Vergleich Blau steht für rund 20 Sommertage, zur Prognose 2071–2100 (rechts) Rot für bis zu 140
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APA, KLZ/HOFFMANN, GRÜNSTATTG­RAU
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ZAMG (2)

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