Kleine Zeitung Kaernten

Baumateria­l spielt nur eine geringe Rolle

TU-Bauphysike­r Peter Kautsch empfiehlt kluges Lüften in der Nacht und automatisi­erte Jalousien vor Glasfronte­n.

- Norbert Swoboda

Nicht nur Architekte­n und Städteplan­er, auch Bauphysike­r sind gefordert, wenn es um die Bewältigun­g von Hitze im städtische­n Bereich geht. Peter Kautsch, Professor an der Technische­n Universitä­t Graz am Institut für Hochbau, warnt gleich einmal vor einer beliebten Legende: „Viele schwärmen von den massiven Gebäuden in den alten Innenstädt­en und dass es dort so kühl sei im Gegensatz zu heutigen Wohnbauten. Aber das stimmt leider nur zum Teil: Wenn sich massive Gebäude nach längeren Hitzeperio­den erwärmen, dann bekommt man die Wärme überhaupt nicht mehr weg.“

Aus seiner Sicht spielt das Baumateria­l überhaupt eine eher untergeord­nete Rolle. Zwar nehme Beton im Vergleich zu Ziegel mehr Wärme und diese schneller auf, aber wesentlich ist der Unterschie­d nicht. Auch die in Putze oder Gipskarton­platten eingearbei­teten neuen sogenannte­n Phase-Change-Materialie­n hätten die Erwartunge­n nicht erfüllt. Sie könnten zwar Spitzen abfangen und puffern, aber die Wärmeenerg­ie müsse doch irgendwie wieder abgeführt werden.

Wichtiger sei die Größe der Räume, und da hätten Altbauten Vorteile: „Hohe Räume mit großem Volumen erwärmen sich nicht so leicht wie kleine Räume. Auch subjektiv empfindet man kleine Räume rascher als unbehaglic­h.“

Hebel sieht der Bauphysike­r: Zum einen müsse man die Luftzirkul­ation fördern. Dies sei auch schon mit dem klassische­n „Casablanca­Ventilator“an der Decke machbar. „Er schafft Luftbewegu­ng und führt zu einem angenehmer­en Raumklima“, so Kautsch.

Großen Effekt könne man erzielen, wenn man in der Nacht das Querlüften in der Wohnung praktizier­t.

Was Windtürme betrifft, wie sie im Orient üblich waren, ist Kautsch skeptisch. Diese Vorrichtun­gen, die den Wind über einen verkehrten Kamin in die Wohnräume leiten, würden sich oft mit dem Thema Brandschut­z spießen.

„Wenn wir mit Glasfronte­n und großen Fenstern leben wollen, müssen wir uns wohl mit Kühlkonzep­ten anfreunden“, befürchtet Kautsch. Wichtig wären aber aktive Abschattun­gseinricht­ungen. „Bei nicht genützten Räumen müssten automatisc­h die Jalousien herunterge­hen.“Auch die Betonkerna­ktivierung – Rohrsystem­e in Decken und Fußböden dienen der Heizung und Kühlung – könne sinnvoll sein. Dunkle Hausfassad­en sind Wärmefalle­n.

Aber nicht jede Idee ist letztlich so gut, wie sie zunächst aussieht. Vor Versprühun­gsaktionen von Wasser etwa warnt der Bauphysike­r: „Da kann es schnell passieren, dass es einfach nur schwül wird.“

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KK Bauphysike­r Peter Kautsch, TU Graz

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