Monsanto muss Millionen an Kranke zahlen
Erster Glyphosatprozess in den USA ging mit Schuldspruch zu Ende: Hausmeister erhält 289 Millionen Dollar. Tausende Klagen laufen.
Seine Ärzte waren sich nicht sicher, ob Dewayne Lee Johnson das Urteil noch erleben wird. Aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes des 46-jährigen Hausmeisters war der Prozess vom Gericht in San Francisco (Kalifornien) vorgereiht worden. Doch Johnson erlebte nicht nur das Urteil, „er kann den Rest seines Lebens in großem Komfort leben“, freut sich sein Anwalt Timothy Litzenburg mit ihm.
289 Millionen US-Dollar (rund 253 Millionen Euro) muss der Agrarkonzern Monsanto an den Kläger zahlen. Im ersten Prozess wegen angeblich verschleierter Krebsrisiken durch „Roundup“, das Unkrautvernichtungsmittel mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat, war es am Freitag – nach einem vierwöchigen Prozess (wir berichteten) – zu einem Schuldspruch gekommen. Die Mittel hätten „wesentlich“zur Krebs- erkrankung des Klägers beigetragen, befand das Geschworenengericht. Die Jury begründete das Urteil mit dem Versäumnis von Monsanto, den Kunden vor dem Krebsrisiko durch das Herbizid zu warnen. Sie stufte dies als „Heimtücke“ein.
In seiner Tätigkeit
als Hausmeister und Platzwart eines Schulbezirks hatte Dewayne Johnson 20 bis 30 Mal pro Jahr mit großen Mengen davon hantiert, war zweimal bei Missgeschicken regelrecht durchtränkt worden. 2014 erkrankte der Vater zweier Kinder unheilbar an Lymphdrüsenkrebs.
Monsanto kündigte, kaum war das Urteil gefallen, sofort an, es werde in Berufung gehen. „Monsanto hat Mitgefühl mit Herrn Johnson und seiner Familie“, betonte ein Konzernsprecher bei einer spontan einberufenen Pressekonferenz, die Entscheidung ändere jedoch nichts
an der Tatsache, dass mehr als 800 wissenschaftliche Studien und Bewertungen den Befund unterstützten, dass Glyphosat nicht krebserregend sei. Man werde das Produkt, welches „seit 40 Jahren sicher in Gebrauch“sei, verteidigen. Auch der Pharmakonzern Bayer, der Monsanto vor Kurzem für 63 Milliarden Dollar gekauft hatte, zeigte sich irritiert: „Das Urteil steht im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnis- sen.“„Für das Unternehmen ist die Berufung aber kostspielig“, betont Johnsons Anwalt: Es muss währenddessen die Zinsen an den Kläger zahlen, rund 25 Millionen Dollar jährlich.
Monsanto und Bayer
rechnen jetzt wohl mit einer Prozesslawine. Mittlerweile sind bereits an die 4000 Klagen in Sachen Glyphosat anhängig. So machte der US-Richter Vince Chhabria, bei dem Hunderte Klagen von
Landwirten, Gärtnern und Verbrauchern zu einem Sammelverfahren gebündelt sind, erst im Juli den Weg für einen weiteren Prozess frei. Chhabria betonte zwar, dass die Beweislage vermutlich nicht eindeutig genug sei, um den klaren Schluss zuzulassen, dass Glyphosat Krebs verursache. Dennoch hätten die Kläger die Chance auf einen Prozess verdient.
Das Millionenurteil könnte damit richtungsweisend sein.