„Wie ein Mensch, der plötzlich umfällt“
INTERVIEW. Betonbau-Experte Lutz Sparowitz hat eine Theorie, warum die Brücke von Genua eingestürzt sein könnte: „Zügelgurtbrücken wie diese haben eine Schwäche.“
Warum ist die Brücke in Genua nach mehr als 50 Jahren plötzlich eingestürzt?
LUTZ SPAROWITZ: Genau lässt sich das jetzt noch nicht sagen. Die Brücke ist von einem berühmten Ingenieur geplant worden und gilt als Meisterwerk. Heute würde sie nicht mehr gebaut werden, weil es zu teuer wäre, sie zu errichten. Dass dieses Bauwerk nach all den Jahrzehnten wegen eines Konstruktions- oder Statikfehlers zusammenbricht, schließe ich aus.
Was vermuten Sie dann?
Sie müssen sich die drei Masten der Brücke als Menschen vorstellen: Jeder von ihnen trägt einen Teil der Brücke und steht für sich alleine. Stürzt einer von ihnen, stürzt auch sein Teil der Brücke mit ihm. Es gibt keine Umlagerungsmöglichkeit wie bei anderen Konstruktionen. Das ist eine Schwäche dieser sogenannten Zügelgurtbrücken, von denen es in Österreich nur sehr wenige gibt. Ich vermute, dass am Fundament eines der Masten etwas passiert sein muss. Vielleicht ist die Gründung unterwaschen worden.
War das schwere Unwetter vor dem Einsturz dafür verantwortlich? Wasser aus dem nahen Fluss könnte die Gründung zunächst unterwaschen haben. Dann verliert der Pfeiler, also der Mensch, den Boden unter den Füßen. Der Wind kann dann ausreichen, damit er plötzlich umfällt. Es könnte aber auch eine andere Ursache gegeben haben: Ein Verbindungsseil von einer der Stützen kann versagt haben. Auch dann kann der Pfeiler umkippen.
Kann so eine Katastrophe auch in Österreich passieren? Ausschließen kann man so etwas natürlich nie. In Österreich gibt es Tausende Brücken. Alle werden in bestimmten Intervallen überprüft, gewartet und saniert, wenn es nötig ist. Das
wird da fließt sehr auch ernst viel genommen Geld hinein. und 60 bis 70 Prozent des finanziellen Aufwandes für Brücken liegen sicher in der Erhaltung. Wie das in Italien ist, kann ich nicht beurteilen.
Die Unwetter häufen sich. Ist der Klimawandel eine Herausforderung für die Stabilität und Sicherheit der Brücken?
Eine gut konstruierte Brücke
muss einem Unwetter standhalten können. Es gibt in Österreich ja zudem auch zahlreiche Wildbach- und Lawinenverbauungen. Aber natürlich steigt das Gefahrenpotenzial, wenn Stürme und Starkregen immer schlimmer und häufiger werden. Wenn etwa eine Mure auf einen Brückenpfeiler trifft, kann der Schaden verheerend sein. Das ist dann höhere Gewalt.