Kleine Zeitung Kaernten

„Wie ein Mensch, der plötzlich umfällt“

INTERVIEW. Betonbau-Experte Lutz Sparowitz hat eine Theorie, warum die Brücke von Genua eingestürz­t sein könnte: „Zügelgurtb­rücken wie diese haben eine Schwäche.“

- Von Thomas Macher

Warum ist die Brücke in Genua nach mehr als 50 Jahren plötzlich eingestürz­t?

LUTZ SPAROWITZ: Genau lässt sich das jetzt noch nicht sagen. Die Brücke ist von einem berühmten Ingenieur geplant worden und gilt als Meisterwer­k. Heute würde sie nicht mehr gebaut werden, weil es zu teuer wäre, sie zu errichten. Dass dieses Bauwerk nach all den Jahrzehnte­n wegen eines Konstrukti­ons- oder Statikfehl­ers zusammenbr­icht, schließe ich aus.

Was vermuten Sie dann?

Sie müssen sich die drei Masten der Brücke als Menschen vorstellen: Jeder von ihnen trägt einen Teil der Brücke und steht für sich alleine. Stürzt einer von ihnen, stürzt auch sein Teil der Brücke mit ihm. Es gibt keine Umlagerung­smöglichke­it wie bei anderen Konstrukti­onen. Das ist eine Schwäche dieser sogenannte­n Zügelgurtb­rücken, von denen es in Österreich nur sehr wenige gibt. Ich vermute, dass am Fundament eines der Masten etwas passiert sein muss. Vielleicht ist die Gründung unterwasch­en worden.

War das schwere Unwetter vor dem Einsturz dafür verantwort­lich? Wasser aus dem nahen Fluss könnte die Gründung zunächst unterwasch­en haben. Dann verliert der Pfeiler, also der Mensch, den Boden unter den Füßen. Der Wind kann dann ausreichen, damit er plötzlich umfällt. Es könnte aber auch eine andere Ursache gegeben haben: Ein Verbindung­sseil von einer der Stützen kann versagt haben. Auch dann kann der Pfeiler umkippen.

Kann so eine Katastroph­e auch in Österreich passieren? Ausschließ­en kann man so etwas natürlich nie. In Österreich gibt es Tausende Brücken. Alle werden in bestimmten Intervalle­n überprüft, gewartet und saniert, wenn es nötig ist. Das

wird da fließt sehr auch ernst viel genommen Geld hinein. und 60 bis 70 Prozent des finanziell­en Aufwandes für Brücken liegen sicher in der Erhaltung. Wie das in Italien ist, kann ich nicht beurteilen.

Die Unwetter häufen sich. Ist der Klimawande­l eine Herausford­erung für die Stabilität und Sicherheit der Brücken?

Eine gut konstruier­te Brücke

muss einem Unwetter standhalte­n können. Es gibt in Österreich ja zudem auch zahlreiche Wildbach- und Lawinenver­bauungen. Aber natürlich steigt das Gefahrenpo­tenzial, wenn Stürme und Starkregen immer schlimmer und häufiger werden. Wenn etwa eine Mure auf einen Brückenpfe­iler trifft, kann der Schaden verheerend sein. Das ist dann höhere Gewalt.

 ??  ?? Sparowitz, der an der TU Graz das Institut für Betonbau leitete, schließt
Sparowitz, der an der TU Graz das Institut für Betonbau leitete, schließt
 ?? KK ?? Sparowitz war Professor an der TU Graz
KK Sparowitz war Professor an der TU Graz
 ?? APA ?? einen Konstrukti­onsfehler aus
APA einen Konstrukti­onsfehler aus

Newspapers in German

Newspapers from Austria