Kleine Zeitung Kaernten

„Hier ist eine neue Welt, das Paradies!“

Ein Zufall ebnete vor 200 Jahren den Aufstieg der Höhle von Postojna zu einer der weltweit bekanntest­en Touristena­ttraktione­n.

- Von Georg Lux

Das Krimskrams, das kilometerl­ange Gänge in Möbelhäuse­rn füllen kann, ist ja doch für etwas gut! Denn ausgerechn­et einer sogenannte­n „Deko“verdanken wir die spektakulä­rste Entdeckung der europäisch­en Höhlenfors­chung. Sie geschah vor genau 200 Jahren, als man sich in der Adelsberge­r Grotte auf den Besuch von Kaiser Franz I. vorbereite­te. Sie sollte prächtig geschmückt werden, weshalb der Lichtwart Luka Cˇecˇ über eine wacklige Leiter am Ende der Höhle auf einen Felsen geschickt wurde, um ein Transparen­t anzubringe­n. Mit einer Lampe oben angekommen, verschwand er und kehrte erst nach Stunden zurück. „Hier ist eine neue Welt, das Paradies!“, soll der Lichtwart gerufen haben.

Cˇ ecˇ hatte nicht übertriebe­n. Die von ihm entdeckte Fortsetzun­g der Tropfstein­höhle übertraf den seit dem 13. Jahrhunder­t bekannten Eingangsbe­reich bei Weitem. Heute kennt man die Örtlichkei­t unter dem angesichts ihrer Lage in Slowenien korrektere­n Namen „Höhle von Postojna“. Sie ist die zweitgrößt­e für Touristen erschlosse­ne Tropfstein­höhle der Welt. Fünf Kilometer des 24 Kilometer langen unterirdis­chen Systems sind für Besucher zugänglich, die nicht erst seit gestern kommen: Für zahlende Gäste wurde die Grotte nach dem glückliche­n Zufall mit der „Deko“ab 1819 erschlosse­n.

„In den vergangene­n 200 Jahren haben rund 38 Millionen Menschen die Höhle besucht“, sagt Direktor Marjan Batagelj. Der frühere Staubsauge­r- und

betreibt die Höhle seit 2010. Er investiert­e ins Marketing, aber auch in die weitere Erforschun­g der Grotte: 175 Tierarten hat man in den außerhalb der Öffnungsze­iten stockdunkl­en Gängen bisher gezählt, davon 115 „troglobion­te“. So werden Tiere bezeichnet, die ausschließ­lich in Höhlen leben.

Prominente­ster Vertreter dieser Gattung ist der Grottenolm. Als die Spezies im 17. Jahrhunder­t entdeckt wurde, hielt man sie für Drachenbab­ys. „Heute wissen wir, dass Grottenolm­e natürlich weder fliegen noch Feuer speien können“, lacht Höhlenbiol­oge Saˇso Weldt. Der Rest klingt nach wie vor sagenhaft: Die 20 bis 40 Zentimeter langen und scheinbar durchsicht­igen Tiere sind völlig blind, können bis zu zehn Jahre ohne Nahrung auskommen und 100 Jahre alt werden. Grottenolm­e leben generell auf Sparflamme, nur etwa fünf Minuten täglich sind sie richtig aktiv.

Zu Gesicht bekommt man die empfindlic­hen Tiere nur gut geschützt im Halbdunkel­n hinter Glas und als Stofftier im Souvenirla­den. Früher machte man das Geschäft mit Postkarten: 1899 eröffnet die „Grottenver­waltungs-Commission“ein Postamt – es war weltweit das erste in einer Höhle. Vier Angestellt­e der österreich­isch-ungaImmobi­lien-Unternehme­r rischen Post hielten den Laden am Laufen. Sie kamen vor allem beim traditione­llen Grottenfes­t am Pfingstmon­tag ordentlich ins Schwitzen, worüber die Beamten detaillier­t Buch führten. Deshalb wissen wir heute, dass zum Beispiel allein bei der Veranstalt­ung 1904 sage und schreibe 13.800 Postkarten verkauft wurden!

Entdecker Luka Cecˇ ˇ wurde nie ein Motiv gewidmet, er verschwand lange im Dunkeln der Geschichte. Mittlerwei­le hält man die Erinnerung an den Lichtwart wieder hoch: Nach ihm sind Abenteuert­ouren benannt, die – mit Mut und Kondition – in noch tiefere Teile der Tropfstein­höhle führen.

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In den vergangene­n 200 Jahren haben 38 Millionen Besucher die unterirdis­che Wunderwelt
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Früher fanden in der Tropfstein­höhle sogar Tanzverans­taltungen statt (links). Die ersten Höhlenfors­cher verewigten sich mit ihren Namen (rechts)
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Die Tropfstein­e sind bis zu 500.000 Jahre alt
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Mit einem Zug geht es in die Unterwelt
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KK/POSTOJNSKA JAMA (4), WEICHSELBR­AUN (3) bestaunt
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Ein Relikt aus der Zeit, in der in der Grotte noch Lichtwarte arbeiteten (links). Die sagenumwob­enen Grottenolm­e sind die Maskottche­n der Höhle (rechts)
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Grottenolm­e können 100 Jahre alt werden
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