„Es kann auch wieder Banken mitreißen“
Auch fast zehn Jahre nach der Lehman-Pleite präsentieren sich Teile des Bankensektors – auch in Europa – fragil, warnt der junge Linzer Ökonom Jakob Kapeller.
Vor zehn Jahren löste die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers die globale Krise aus. Drohen wir erneut in eine solche zu schlittern?
Die Bankensektoren sind nach wie vor fragil. Spanische und italienische Banken stehen ganz ähnlich da wie 2008, die Bilanzen der Banken werden immer länger. Eine Wiederkehr der Krise würde ich daher nicht ausschließen.
Die toxischen Papiere wurden aber weniger, oder?
Da haben die Banken vielleicht etwas gelernt und lassen sich nicht mehr alles aus den USA verkaufen. Aber das Wachstum heute basiert auf Schuldenexpansion. Das hatten wir in den USA und in Südeuropa bis zur Krise ebenso. Wenn es wieder zu viele Schulden werden, kann es nach dem Ende der Kreditexpansion erneut bei Einzelnen krachen. Wenn die gewichtig genug sind, kann es auch wieder Finanzinstitutionen mitreißen.
Derzeit macht die NullzinspoliDie
Ich sehe den Ausstieg unproblematisch, aber es ist unrealistisch, dass es höhere Zinsen von 4 oder 5 Prozent geben wird. 2 oder 2,5 Prozent halte ich für realistisch in den nächsten zwei Jahren, wenn es nicht wieder irgendwo brennt.
Sie sind heftiger Kritiker der Globalisierung. Warum eigentlich?
Europa würde von einem Ende der Globalisierung profitieren. Würde man die Globalisierung zurückdrehen, könnte man trotzdem die europäische Integration erhalten. Das würde für Europa Chancen bieten. Weil man starke Sozial- und Umweltstandards hat, aber nicht in der Lage ist, diese in die Welt zu exportieren. Europas Lebensmodell mit einer ausgeglichenen, sozialen Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck.
Europa ist durch seine Standards weniger konkurrenzfähig?
Wir stehen unter einem ständigen Rechtfertigungsdruck für diese Standards und diese stehen wiederum unter einem Wettbewerbsdruck – Beispiel 12-Stunden-Tag und Kritik an der Sozialpartnerschaft. Die Industriellenvereinigung sagt, diese sei ein Standortnachteil.
Ist sie ein Nachteil?
Die heutige Globalisierung ist ja kein Freihandel im klassischen Sinn, wo Länder Güter miteinander handeln, sondern sie ist ein Standortwettbewerb. Das heißt, nicht die Unternehmen stehen im Wettbewerb um möglichst gute Leistungen für die Populationen, sondern die Populationen stehen miteinander im Wettbewerb, um dem Kapital möglichst gute Bedingungen zu bieten. Es gibt Anreize zu einem Wettbewerb nach unten. Die anonyme Profitlobby kann sich das Rechtssystem aussuchen. Das wollte man historisch stets verhindern. Darum haben wir so wenige Möglichkeiten, die Globalisierung zu steuern.
Was wäre denn die Alternative dazu?
Man könnte sich als geeintes Europa hinstellen und sagen: Wir machen gerne offenen Handel mit der Welt, erwarten uns aber, dass sich unsere Handelspartner sukzessive an unsere Standards annähern. Nicht nur weil wir glauben, dass Menschenwürde und –rechte exportfähig sind. Auch weil wir als Spezies ökologisch sonst nicht bestehen würden.