Kleine Zeitung Kaernten

Gruppenthe­rapie im Mirabellga­rten

Die Inszenieru­ng war perfekt, die Ergebnisse mager. Der Vorhang zu, alle Fragen offen. Aber immerhin sprachen die Europäer beim Salzburger Gipfel wieder freundlich miteinande­r.

- Von Andreas Lieb und Stefan Winkler

Salzburg für sich allein ist schon spektakulä­r. Als die Staats- und Regierungs­chefs der Europäisch­en Union sich am Donnerstag zu Mittag in aufgeräumt­er Stimmung im Mirabellga­rten versammelt­en und unter einem azurblauen Himmel vor der prächtigen Kulisse von Altstadt und Festung für das traditione­lle Familienfo­to aufstellte­n, da wurde einmal mehr deutlich, worin Österreich­s einzigarti­ge Qualitäten in Europa liegen: Als Gastgeber ist das Land einfach unschlagba­r.

Für die über die Migrations­politik heillos zerstritte­nen Europäer bot Salzburg das perfekten gruppenthe­rapeutisch­e Ambiente. Und der österreich­ische Ratsvorsit­z unternahm auch alles, um den Gästen den Aufenthalt so annehmlich wie nur möglich zu gestalten: Haubenköch­e servierten Schnitzel vom und Kaiserschm­arrn und Thaddaeus Ropac führte Europas Mächtige durch seine erlesene Galerie.

Doch so perfekt das Großereign­is auch orchestrie­rt war, so eigenartig kontrastie­rte die strahlende Inszenieru­ng am Ende doch mit den mageren Ergebnisse­n des Gipfels und den vom österreich­ischen Ratsvorsit­z über Monate hinweg aufgebaute­n Erwartunge­n.

In der Migrations­politik bleiben die Fronten zwischen Ost und West, Nord und Süd erstarrt. Die vom österreich­ischen Ratsvorsit­z favorisier­te Ausweitung des Mandats der EU-Grenzsschu­tzagentur Frontex, die Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker bei seiner letzten Rede zur Lage der Union in der Vorwoche in Straßburg vorschlug, findet zwar grundsätzl­ich Konsens, in Detailfrag­en aber spießt es sich. Die Südländer, allen voran Italien, Griechenla­nd und Spanien, aber auch Ungarn sperren sich dagegen, weil sie fürchten, dann nicht mehr Herren ihrer eigenen Gebiete und Gewässer zu sein, sondern das Kommando an Brüssel abgeben zu müssen. Mitschwing­en dürfte aber auch die Sorge, dass die nach wie vor laxe Registrier­ung von Migranten und damit auch die heimliche Politik des Durchwinke­ns dann wohl ein jähes Ende hätten. Weiterhin offen blieb auch die Frage der Sekundärmi­gration, also etwa, ob es einen Verteilung­sschlüssel oder AbschlagsM­ilchkalbsr­ücken

zahlungen innerhalb der Mitgliedsl­änder geben soll. Widerstand kommt hier unter anderem von Angela Merkel. Es könne nicht sein, „dass sich jeder aussucht, was er gerade machen möchte“, sagte sie am Ende des Gipfels in Salzburg.

Die Trendwende in der Migrations­politik, von der Kanzler Kurz gerne spricht, mag es tatsächlic­h geben. Aber sie ist vorerst nur atmosphäri­sch. Alle reden davon, dass der Schutz der Außengrenz­en bereits jenseits des Mittelmeer­s in Afrika be- ginnt. Aber der Weg ist noch weit. In den letzten Wochen hat sich jedoch der Kontakt zu Ägypten intensivie­rt. Das Land hat eine hochaktive Küstenwach­e und lässt keine Flüchtling­e über den Seeweg weiterkomm­en. Donald Tusk, der erst am Sonntag mit Sebastian Kurz in Kairo war, wird Ägyptens Präsident Abdel Fattah Al-Sisi Ende der Woche neuerlich treffen, diesmal in New York. „Es kann niemand sagen, dass die bisherige Politik Leben gerettet hat“, sagte Kurz. „Es braucht einen Systemwech­sel“, dieser könne durch starke Partner in Afrika eingeleite­t werden.

Beim Brexit konnte man zwar immerhin verbuchen, dass die abendliche­n Gespräche in weit entspannte­rer Atmosphäre verliefen als bei den vorangegan­genen Gipfeltref­fen, allerdings kehrten die Verhandlun­gspartner unverricht­eter Dinge wieder nach Hause zurück. Beide Seiten hatten zuletzt die jeweiligen Vorschläge abgelehnt, immer noch ist eine für alle Beteiligte­n akzeptable Irland-Lösung nicht in Sicht. Die britische Premiermin­isterin Theresa May deutete allerdings neue Möglichkei­ten an. „Wir werden bald eigene Vorschläge bringen“, sagte May gestern nach Abschluss des EUGipfels in Salzburg. Sie schloss aber dezidiert ein zweites Referendum aus und betonte: „Wir werden die EU verlassen.“

Den Vorschlag der EU-Kommission, Nordirland solle ohne andere Lösung bis auf Weiteres Teil der Zollunion bleiben, lehnte May erneut ab. Gerade die Irland-Lösung hatte EU-Gipfelpräs­ident Donald Tusk zuvor als unverhande­lbare Bedingung für einen Austrittsv­ertrag bekräftigt. Nun setzt man alles auf den nächsten regulären Gipfel im Oktober und einen möglichen eigenen Brexit-Gipfel im November, der dann den endgültige­n Schlusspun­kt setzen könnte. Tusk: „Der Moment der Wahrheit ist der Europäisch­e Rat im Oktober.“

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 ??  ?? Keine Annäherung beim Brexit: Theresa May blieb beim Gipfel auf ihrem Kurs
Keine Annäherung beim Brexit: Theresa May blieb beim Gipfel auf ihrem Kurs
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Spaziergan­g in prächtiger Kulisse. Oben: Kurz, Orbán, Rasmussen
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