Kleine Zeitung Kaernten

„Werden den Premiers nicht die Handys abnehmen“

Die Provokatio­n gehört zum Markenkern von Rechtspopu­listen. Salvinis umstritten­er Videomitsc­hnitt war Thema in den EU-Couloirs.

- Von Michael Jungwirth

Auf den ersten Blick sah es wie eine gezielte Provokatio­n aus. Matteo Salvini, das Enfant terrible der italienisc­hen Innenpolit­ik und in der Zwischenze­it populärste­r Politiker seines Landes, war sich letzten Freitag bei der Sitzung der europäisch­en Innenminis­ter in Wien mit seinem Luxemburge­r Amtskolleg­en Jean Asselborn in die Haare geraten. Solche Dispute hinter verschloss­enen Türen sind keine Seltenheit. Was aber völlig unüblich war: Salvini veröffentl­ichte ein Video des Krachs auf seiner Facebook-Seite. Gezielte Provokatio­nen gehören an sich zum Markenkern rechtspopu­listischer Bewegungen.

Der Tabubruch war nach Auskunft von Diplomaten durchaus ein Thema in den Couloirs von Salzburg. Befeuert durch die Kritik des Luxemburge­r Premiers Xavier Bettel am österreich­ischen EU-Vorsitz („Ich hätte erwartet, dass Österreich sagt, dass das nicht geht“) wurden vereinzelt Stimmen laut, dass man neue Regeln finden müsste. „Es ist weitgehend ungeregelt“berichtet ein EU-Diplomat. „Es gibt keine Regeln, was Minister im Saal dürfen. Man darf davon ausgehen, dass die Vertraulic­hkeit gewahrt bleibt.“Anders als der legendäre HansPeter Martin, der mit einer Knopflochk­amera verdeckt das Treiben im EU-Parlament gefilmt hatte, wollte Salvini nur seine eigene Wortmeldun­g mitschneid­en, einer seiner Mitarbeite­r nahm es per Handy auf.

Asselborn kam erst ins Spiel, weil er Salvinis Ausführung­en wiederholt empört unterbrach. „Merde alors“(Scheiße nochmal) quittierte der Luxemburge­r die Wortmeldun­g und knallte den Kopfhörer auf den Tisch.

„Er hat mich gezielt in die Falle gelockt“, klagte Asselborn am Tag danach.

Ob hinter dem Manöver Absicht stand, ist fraglich. Sieht man sich Salvinis FacebookSe­ite an, fällt auf, dass dieser fast jeden Auftritt von einem Mitarbeite­r mitfilmen lässt, etwa auch die Ankunft vor dem Büro von FPÖ-Chef Strache, wo ihn Generalsek­retär Vilimsky überschwän­glich begrüßt („Wir freuen uns wahnsinnig, dass er hier ist“).

Luxemburgs Premier Bettel

Für die Medien existieren bei EUTreffen klare Regeln. Zum Auftakt der Sitzung werden Kameraleut­e in den Saal gelassen, allerdings müssen die Mikrofone ausgeschal­tet sein. Wenn die Türen geschlosse­n werden, beginnt der vertraulic­he Teil. Wenn sich Sitzungste­ilnehmer wie Salvini nicht an diese Vertraulic­hkeit halten, wird es schwierig. „Wir können ja beim Gipfel nicht den Regierungs­chefs die Handys

Der Italiener war mein Nachbar und hat mich nicht

gefilmt.

abnehmen, um zu verhindern, dass sie sich gegenseiti­g filmen“, meint ein Diplomat scherzend.

Dass die Vertraulic­hkeit von internen Aussprache­n gewahrt bleibt, ist im Regelfall im Interesse der Beteiligte­n. Aus der Norm fiel zuletzt Griechenla­nds Ex-Finanzmini­ster Yanis Varoufakis, der von einem informelle­n EU-Treffen in Riga Tonaufnahm­en gemacht hatte. Bettel verabschie­dete sich gestern von den Journalist­en spöttisch: „Der italienisc­he Ministerpr­äsident war mein Nachbar. Er hat nicht gefilmt.“

 ??  ?? Können einander nicht riechen: Italiens Innenminis­ter Salvini und sein
Können einander nicht riechen: Italiens Innenminis­ter Salvini und sein
 ??  ?? Luxemburge­r Kollege Asselborn
Luxemburge­r Kollege Asselborn

Newspapers in German

Newspapers from Austria