Kunst als Störfaktor und als Einladung zur Debatte
Ekaterina Degot eröffnete gestern ihren ersten steirischen herbst mit einer programmatischen Rede.
Der Ort ist Programm: Auf dem Europaplatz vor dem Grazer Hauptbahnhof hat Intendantin Ekaterina Degot gestern ihren ersten steirischen herbst eröffnet. Weil Degot nicht nur das routinierte Kunstpublikum ansprechen will, sondern auch Zufallspassanten, sollte das Festival in einem „Durchgangsraum“beginnen, „wo Einheimische und Außenseiter, Österreicherinnen und Österreicher und Fremde durcheinanderströmen und allesamt einer Unbeständigkeit anheimfallen, die für so manche ein Dauerzustand ist.“
Degot hat dem Festival eine Neuordnung verordnet. Dabei macht sie etwa Programm mit der Entsorgung von Nazi-Devotionalien, mit jugoslawischen PartisanenSlogans („Tod dem Faschismus, Freiheit für das Volk“), mit einem Symposion für Fans von Conchita und/oder Gabalier. Es gehe ihr dabei um die gesamte Öffentlichkeit des Landes: „Wir wollen mit Ihnen reden über das, was für uns alle von Bedeutung ist. Wir wollen Sie – und das ist Teil des Spiels – in die prekäre Lage bringen, sich vielleicht von uns gestört zu fühlen.“
Die von vielen erwartete programmatische Ansage folgte am Schluss der Eröffnungsrede: Der herbst 2018 handele letztlich „von den politischen Gegensätzen und Widersprüchen unserer Zeit“, so Degot, und damit von Ungleichheit und vorenthaltenen Lebenschancen: „Sie brüten und nähren die Würmer des Faschismus.“Es werde behauptet, „dass es in diesen Gegensätzen und Kämpfen um Kulturen, Religionen oder Rassen gehe“. Das sei nicht wahr und „es hindert uns, gemeinsame Sache zu machen“. Mit dem Begriff Volksfronten will Degot dem entgegentreten, mit „reichhaltigen, komplexen, vielschichtigen künstlerischen Gesten“und mit „Projekten, Performances, Installationen und philosophischen Debatten“. Mit der Einladung, sich „in den kommenden Jahren auf viele weitere geistige Wagnisse einzulassen“, schloss Degot ihr Plädoyer für einen repolitisierten herbst.