Gelebte Integration
REPORTAGE. Nach fast drei Jahren in Ferlach sollen afghanische Familien abgeschoben werden. In eine Heimat, die für sie längst keine mehr ist. Gemeinde kämpft um den Verbleib der Familien.
Medizin wird in der Alten Apotheke am Ferlacher Hauptplatz keine mehr verkauft. Etwas Heilendes und Tröstendes haben die dicken Mauern dennoch, seit sich dort 2014 das offene Kreativ- und Technologielabor „Otelo“eingerichtet hat. Ein Ort, an dem Menschen miteinander kochen, nähen, lachen und voneinander lernen – egal welche Religion oder Herkunft sie haben.
Für acht Familien, die vor fast drei Jahren mit kleinen Kindern teilweise zu Fuß aus Afghanistan geflohen und nach elf Tagen in Ferlach gestrandet sind, wurde das Otelo ihr sicherer Hafen. Erstmals konnten sie ein angst- Leben führen und ihren Kindern zusehen, wie sie unbeschwert lachen. Und zeichnen. „Mohammed malt so gern“, sagt seine Mama Zahra Zieyaie (28). Und der Kleine quietscht vergnügt auf, als er merkt, dass über ihn geredet wird. Der Vierjährige hat sich, wie Aenaz (1) und Nazanin (4) auch, bereits bestens eingelebt. Der Kleine besucht den städtischen Kindergarten, wo er Deutsch und Englisch lernt. Auch seine Eltern und die anderen lernen Deutsch. „Pensionierte Lehrerinnen geben Kurse“, erklärt Monika Pegam vom Otelo. Sie und Britt Egger verbringen viel Zeit mit den Familien, organisieren Veranstaltungen und Workshops. Erst vor Kurzem fand das Sommerfest statt. „Das Haus war voll“, freut sich Pegam und deutet auf ein Plakat mit Fotos vom Fest.
nebenan stapeln sich Stoffe, auf dem Tisch stehen Nähmaschinen. Hier ist Norooz Ahmadi (45) in seinem Element. „Er ist ein begnadeter Schneider. Aber auch die Frauen“, schwärmt Pegam. Aus altem Gewand werden Taschen, Kleider und Tiere genäht. Für Reza Nazari (29) ist das nichts, er blüht dafür im angelegten Kräutergarten auf. „Vieles haben wir schon geerntet und verfreies
Gemeinsam
ist ein offenes Kreativund Technologielabor, das es mittlerweile in vielen Kärntner Städten gibt. In Ferlach wurde Otelo vor vier Jahren in der Alten Apotheke eröffnet. Das Haus bietet kostenlose Infrastruktur, Gemeinschaftsräume, Küche, Werkstatt und einen 800 Quadratmeter großen Garten.
www.otelo.or.at arbeitet.“Kräutersalz, Balsam & Co. stehen in einem Regal, daneben Zwetschkenmarmelade. „Die haben wir erst gemacht“, sagt Forozan Hossini (23) und fährt sich durchs Haar. Kopftücher tragen die Frauen keine mehr. „In Afghanistan mussten wir uns verhüllen, hier sind wir frei“, lächelt Forozan. „Und wir können Radfahren“, ruft Noorziya Askari (36). Denn das dürfen in Afghanistan nur Männer.
Der Wunsch aller ist es, in der neuen Heimat bleiben und arbeiten zu können. „Wir wollen nicht, dass der Staat bezahlt, wir wollen eigenes Geld verdienen“, sagt Norooz, der von einer Schneiderei träumt. Forozan