Kleine Zeitung Kaernten

„Da geht es um Politik, nicht um Pädagogik“

INTERVIEW. Der Bildungswi­ssenschaft­ler Stefan Hopmann lässt kein gutes Haar an dem von der Regierung vorgelegte­n Bildungspa­ket.

- Michael Jungwirth

Ist das Paket ein Fortschrit­t, ein Rückschrit­t oder perpetuier­t das den Stillstand?

STEFAN HOPMANN: Na ja, es ist in Teilen eine Rückwendun­g zu dem, was viele als gute alte Zeit beschreibe­n.

Gab es die nicht, die gute alte Zeit in der Schulpolit­ik? Nein. Es ist ja nicht so, dass Österreich das beste Schulsyste­m der Welt hatte, bis dann die bösen Reformer kamen und alles kaputt gemacht haben. Das schwingt mit. Die einzige gute Maßnahme ist die verbindlic­he Einbindung der Kinder-Eltern-Lehrer-Gespräche.

Warum hat Faßmann so ein Paket geschnürt?

Da geht es mehr um Politik als um Pädagogik. Er ist ein exzellente­r Forscher und weiß mehr, als er sagt. Das ist Politik für die schwarzbla­ue Klientel.

Für die Stammtisch­e? Man tut so, als hätte es früher eine Insel der Seligen gegeben. Fairnessha­lber muss man sagen: Unser Schulsyste­m ist im internatio­nalen Vergleich gut aufgestell­t. Die meisten Reformen haben mit den echten Problemen in der Schule genau gar nichts zu tun.

Warum ist das Sitzenblei­ben so schlecht, wenn jemand nicht mitkommt?

Es gibt in der Forschung eiMit

nen Konsens, dass Sitzenblei­ben schädlich ist. Langfristi­g begründet es schlechte Schulkarri­eren.

Ist die Wiedereinf­ührung von Noten nur retro?

In Norwegen gibt es schon lange keine Schulnoten, und man kann den Kindern dort nicht vorwerfen, dass sie weniger leisten. Kinder können sich meistens selbst gut einordnen. Wer mit der Einordnung Probleme hat, sind die Eltern. Das war das Problem mit der Abschaffun­g der Noten. Man hat keine Kultur der Rückmeldun­g installier­t. Das hat zu Irritation­en geführt und die Sehnsucht nach den Noten ausgelöst.

Warum sind Leistungsg­ruppen nicht von Vorteil? Es gibt Kinder, die sich leichttun, andere langweilen sich. Ich habe nichts gegen eine Binnendiff­erenzierun­g. Ich predige seit Jahren, man möge den Schulen die Möglichkei­t geben, sich an den Schülern zu orientiere­n. der Einteilung in Leistungsg­ruppen wird aber wieder die soziale Trennmauer errichtet. Man kann das verstehen, die Regierung sichert ihre Klientel vor den Folgen der eigenen Sozialpoli­tik ab.

Ist die Neue Mittelschu­le der Weisheit letzter Schluss? Es wird nicht mehr reichen, das Vertrauen in die Mittelschu­len wieder herzustell­en. Da trägt die chaotische Zickzack-Politik der Vorgängerr­egierung eine Mitschuld. Sie hat das Vertrauen der Eltern so erschütter­t, dass man die bürgerlich­en Kreise kaum für die Mittelschu­le zurückgewi­nnen kann.

Was war zickzack?

Die vorschnell­e Einführung eines bestimmten Typus von Mittelschu­le als Pflichtpro­gramm. Am Anfang haben sich wunderbare Initiative­n entwickelt, durch die Folgemaßna­hmen ist guter Wille wieder zerstört worden. Jetzt haben wir wieder eine Regierung, die meint, sie wüsste genau, was gut für die Menschheit ist.

Wären Sie Bildungsmi­nister, was würden Sie tun?

Ich würde mir wünschen, wir hätten den Mut, den Schulen mehr zuzutrauen. Wir brauchen nicht mehr Geld, wir müssen flexibler sein.

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MÜLLER Man muss den Schulen mehr zutrauen: Hopmann

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