Kleine Zeitung Kaernten

„Schieder? Alles andere wäre die vierte oder fünfte Wahl“

Für Hannes Androsch war die Episode Kern eine Fehlentsch­eidung. Rendi-Wagner könnte zum „weiblichen Viktor Adler“aufsteigen.

- Interview: M. Jungwirth

Was ist los mit Ihrer Partei? Startet die SPÖ neu durch? Oder dreht sich die Spirale weiter nach unten?

HANNES ANDROSCH: Eins nach dem anderen. Ob Kern vor zweieinhal­b Jahren die richtige Wahl war und ob nicht Gerhard Zeiler der bessere Kandidat gewesen wäre, sei dahingeste­llt. Ich fürchte, Bures hatte mit ihrer Beurteilun­g (Kern kann Wirtschaft, aber nicht Politik) recht. Kern war eine Hoffnung, die sich rasch in Luft aufgelöst hat – schon nach zwei Monaten. Er hat links geblinkt und ist rechts abgebogen. Er hat keine Linie gehabt. Als ÖBB-Chef war er gut. Sein Eintritt in die Politik war ein Fehltraum von ihm und eine Fehlentsch­eidung der Partei. Dafür trägt auch die Partei eine Verantwort­ung.

Jetzt wird Rendi-Wagner als neue Hoffnungst­rägerin gehandelt. Kann sie Politik?

Ich kenne sie nicht gut, wenn ich ihre Vita lese, würde ich sie nicht unterschät­zen. Mit Ausnahme von Faymann waren alle unsere Vorsitzend­en Akademiker. Ich traue ihr die nötige Intellektu­alität genauso zu wie die Härte und die Konsequenz. Sie macht es nicht nur für 14 Tage. Ich sehe eine Chance, dass sie der weibliche Viktor Adler des 21. Jahrhunder­ts werden kann, freilich unter schwierige­n Umständen. Das gilt für andere Parteien auch. Schauen Sie nach Bayern.

Dass sie nicht direkt aus der Partei kommt, kann ihr das zum Verhängnis werden?

Sie kommt aus dem Milieu, hat sich emporgearb­eitet, hat sich als Ärztin habilitier­t, war im Ausland und Sektionsch­efin, kennt die Administra­tion. Eins stimmt: Sie war nicht bei den Kinderfreu­nden, den Roten Falken, der SJ wie Heinz Fischer, Poldi Gratz oder ich.

Schieder – das neue Gesicht für Europa?

Schieder? (denkt lange nach) Kern wäre nicht schlecht gewesen, hätte er nicht dieses Primadonne­nhafte. Unter den gegebenen Umständen ist Schieder der Geeignetst­e.

Ist er die zweite, dritte Wahl?

Alles andere wäre die vierte oder fünfte Wahl gewesen.

Dass die SPÖ nun die Parteiöffn­ung absagt, ist das nicht ein Zeichen für eine Verengung?

Die Amtszeit auf zehn Jahre zu beschränke­n, ist ein Blödsinn. Die Ceta-Umfrage war nicht nur eine Pleite, sie war instinktun­d kenntnislo­s. Es hat nur gezeigt, dass Kern die Partei nicht verstanden hat. Kurz hat die ÖVP verstanden und hat ihre Schwäche benutzt. Wie weit diese Welle trägt, werden wir noch sehen. Es gibt Entwicklun­gsstufen, wo Kern gemeint hat, er könne sie überspring­en. Das war utopisch und naiv.

Schauen Sie, wo die SPD liegt. Man muss verstehen, dass die Leute vertreten sein wollen. Der direkten Demokratie skeptisch gegenüberz­ustehen wegen der Gefahr ihres emotionell­en Missbrauch­s und gleichzeit­ig zu meinen, das sei die Lösung für die eigene Partei, ist ein Widerspruc­h.

Wohin sollte Rendi-Wagner die Partei inhaltlich führen?

Ich hoffe, dass sie sich am Leistungsb­egriff und nicht am Konzept des Absahnens orientiert. Wir müssen kapieren, dass wir eine alternde Gesellscha­ft sind, dass wir das Schulwesen ans digitale Zeitalter anpassen müssen, dass wir in die künstliche Intelligen­z investiere­n müssen, dass wir Zuwanderun­g brauchen, wenn auch geregelt. Die Integratio­n haben wir versäumt, dafür war Kurz verantwort­lich. Kern war primadonne­nhaft: Androsch

Und die Idee der Urwahl?

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