Kleine Zeitung Kaernten

Stürzt Bosnien jetzt in eine noch tiefere Krise?

Im labilen Vielvölker­staat wird nach der Wahl vom Sonntag das Regieren sicher nicht leichter. Es behaupten sich die Nationalis­ten.

- Im Gegensatz Von unserem Korrespond­enten Christian Wehrschütz aus Sarajevo Hinzu

der Republika Srpska seine dominante Rolle behaupten; das steht aber noch nicht endgültig fest, weil die Opposition eine Neuauszähl­ung der Stimmen verlangt; vor allem bei der Wahl zum Präsidente­n der Republika Srpska liegen die Kandidaten von Regierung und Opposition zwar um 25.000 Stimmen auseinande­r, doch es gibt mehr als 40.000 Stimmen, die als ungültig gewertet wurden. Die Forderung nach Neuauszähl­ung ist somit berechtigt, zumal Dodik den serbischen Teilstaat bereits seit 12 Jahren dominiert und unabhängig­e, rechtsstaa­tliche Institutio­nen Mangelware sind.

dazu ist das Ergebnis der Wahl zum Staatspräs­idium in der bosniakisc­h-kroatische­n Föderation wahltech- nisch unstrittig, politisch aber nicht. Bei den Kroaten gewann nicht der Bewerber der stärksten Partei, sondern Zˇ eljko Komˇsic´, der seinen Sieg vor allem den Stimmen der Bosniaken verdankt. Das ist möglich, weil zwei Mitglieder des Staatspräs­idiums in der bosnisch-kroatische­n Föderation gewählt werden, und die Kroaten keinen eigenen Teilstaat haben. Dieses Ergebnis dürfte die Frustratio­n unter vielen Kroaten und die Angst vor einer Majorisier­ung stärken. Kritisiert hat das Resultat auch die kroatische Regierung. Auch die bosnischen Serben nützen das kroatische Beispiel immer wieder als ArguFührun­g ment, jede Abgabe von Kompetenze­n an Sarajevo abzulehnen. Bei den Bosniaken siegte Sˇefik Dzˇaferovi­c´, der Kandidat der stärksten Partei SDA, die ihre führende Rolle unter den Bosniaken gewahrt haben dürfte. Doch auch Dzˇaferovi­c´ dürfte vor allem deshalb gewonnen haben, weil viele Bosniaken statt des Herausford­erers eben Komˇsic´ wählten.

kommt, dass die Wahl zum Parlament in der Föderation rechtlich fragwürdig ist, weil der Verfassung­sgerichtsh­of das Wahlgesetz vor zwei Jahren aufgehoben hat. Auf ein neues Gesetz konnten sich Bosniaken und Kroaten nicht einigen. Eineinhalb Jahre dauerten die Verhandlun­gen in Bern, doch alle auch internatio­nalen Vermittlun­gsbemühung­en fruchteten nichts; auch der hohe internatio­nale Repräsenta­nt in Sarajevo, der österreich­ische Spitzendip­lomat Valentin Inzko, legte einen Vorschlag vor; er wurde ebenfalls verworfen.

Ein klares Bild über die Machtverte­ilung in Bosnien und Herzegowin­a wird erst vorliegen, wenn auch die Ergebnisse in den zehn Kantonen des Landes ausgewerte­t sind, aus denen der bosniakisc­h-kroatische Teilstaat besteht. Wahlberech­tigt waren 3,35 Millionen Bürger, die Beteiligun­g lag offiziell bei 53 Prozent; das ist aber nicht die ganze Wahrheit, weil viele Wähler im Ausland leben und außerdem viele Wählerlist­en veraltet sind.

Der gemeinsame Nenner der drei Völker bleibt jedenfalls gering, doch das mögliche Ausmaß der politische­n Krise wird sich erst wirklich abschätzen lassen, wenn die Ergebnisse für die Parlamente in Bosnien und Herzegowin­a vorliegen werden. Vor vier Jahren dauerte es jedenfalls mehr als sechs Monate, bis in Bosnien und Herzegowin­a alle Regierunge­n gebildet werden konnten.

Treffen sich zwei Bosnier nach den jüngsten Wahlen in Sarajevo. Fragt der eine: „Wo war der Andrang am Wahlsonnta­g am größten?“Antwortet der andere: „An den Grenzüberg­ängen. Nach diesem Ergebnis dürften noch mehr Bosnier das Land verlassen.“

Gut 60.000 pro Jahr sind es inzwischen, die vor der Misswirtsc­haft im zerrissene­n Balkanstaa­t flüchten. Wie schlecht das Staatswese­n funktionie­rt, zeigte die Stimmauszä­hlung. Obwohl die Wahllokale seit mehr als einem Tag geschlosse­n hatten, lag bei Redaktions­schluss noch immer kein vorläufige­s Endergebni­s vor. Bereits fest steht aber, wer die Wahl zum obersten Organ des Gesamtstaa­tes gewonnen hat, dem sogenannte­n Staatspräs­idium, dem je ein Bosniake, Serbe und Kroate angehören. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass das Regieren nicht leichter werden wird. Denn bei den Serben siegte Milorad Dodik, der wiederholt mit der Abspaltung des serbischen Teilstaats gedroht hat; aller Voraussich­t nach konnte Dodik auch bei den Wahlen zur

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APA/AFP „Mein Sieg ist klar wie eine Träne“, frohlockte Serbenführ­er Milorad Dodik nach der Wahl

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