„Mich bewegt heute im TV nichts“
INTERVIEW. Michael Schanze (71) hat das Kinderquiz im Fernsehen geprägt – und sich mittlerweile aufs Musical verlegt. Nun feiert „Heidi“die Welturaufführung.
Herr Schanze, „Heidi“ist nicht Ihr erstes Musical. Zuletzt haben Sie „Scrooge“komponiert. Nun, es gibt Oscars für die beste Filmmusik für Leute, die keine Noten schreiben können. Wie arbeiten Sie?
MICHAEL SCHANZE: Ich habe gelernt, Noten zu schreiben. Ich war nämlich im Windsbacher Knabenchor, dem evangelischen Pendant zu den Regensburger Domspatzen. Mit acht, neun Jahren mussten wir dort schon kleine Choräle komponieren. Heute aber benütze ich die modernen Möglichkeiten, setze mich ans Klavier und spiele. Das nehme ich auf – und anschließend geht’s zum Arrangieren ins Studio. Was das Komponieren eines Musicals betrifft, lasse ich mich natürlich mehrheitlich vom Text führen.
Worauf muss man achten? Dass man zum Beispiel nicht eine Ballade nach der anderen schreibt. Es müssen viele musikalische Farben bedient werden, um die richtige Mischung zu finden. Bei den Kindern Heidi und Peter, die einander so gut verstehen, darf man um Gottes willen nicht in Liebesduette abgleiten.
Wenn Sie auf Ihre reiche Karriere zurückblicken, da lief ja am Anfang alles wie geschmiert. Wie sehen Sie diese Jahre?
Da muss ich Ihnen eine Gummiantwort geben. Es war eine tolle Zeit, im Beruf wie im Leben. Doch bei all den Erfolgen habe ich mich ab einem gewissen Zeitpunkt mit meiner Ex-Frau darüber unterhalten, ob es das nun schon war oder ob noch mehr drin wäre.
Gab es auch die Gefahr, überheblich zu werden?
Da müssten Sie andere Leute fragen, die mich damals kannten. Mein oftmaliger Regisseur Dieter Pröttel – etwa für „Hätten Sie heut’ Zeit für mich“und „Flitterabend“– hätte sich aber oft mehr gewünscht, also: dass der Michael mehr abhebt.
Das berühmte „Plopp“, ein Finger-Backen-Schnalzer im Kinderquiz „1, 2 oder 3“, wurde für Sie ein spezielles Markenzeichen. Wo hatten Sie dieses „Plopp“her? Es ging darum, ein Geräusch zu
finden, um den mitwirkenden Kindern ein Signal zum Springen zu geben. Eine Kommilitonin erinnerte mich daran, dass ich schon in meiner Studienzeit an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film, wo Wim Wenders und Werner Schroeter Klassenkameraden waren, ein bestimmtes Geräusch entwickelt hatte, und sie riet mir: „Dann machst du halt wieder so ein plopp!“Und das hat funktioniert. Ich habe dann auch fünf Bücher, „Die Plopper“, geschrieben.
Heute sind Sie jedoch ein ganz anderer Typ als in früheren Zeiten. 1976 haben Sie zum Beispiel bei der WM im Windsurfen auf den Bahamas Platz sieben belegt. Geht sicher nicht mehr, bei 130 Kilo Körpergewicht?
Was auch sein Gutes hat. Denn durch den jetzigen „mächtigen“Körperbau kam ich besser an Charakterrollen heran. Wie als Dorfrichter Adam im „Zerbrochnen Krug“und einer der „Drei Männer im Schnee“.
Mit Ihrer enormen Erfahrung: Welchen Rat würden Sie heute angehenden jungen Entertainern geben?
Versuche von Anfang an, das zu tun, was du unbedingt tun möchtest, und lauf nicht irgendeinem Erfolg nach, wo die Menschen links von dir jubeln: „Das ist guuut!“, und jene rechts von dir weinen. Immer Flagge zeigen und sagen: „Das bin ich!“Denn das Schlimmste am Erfolg ist, wenn du von dem, was du machst, nicht überzeugt bist.
Wie empfinden Sie denn die derzeitige TV-Landschaft?
Um einen Kalauer zu verwenden, würde ich sagen: Ich ärgere mich, dass der meistbeschäftigte Mann im Fernsehen der Reiner ist. Wenn sie mich dann fragen: „Welcher Reiner?“, dann antworte ich: Reiner Zufall.
Bedeutet?
Ein Superstar wie Peter Alexander und auch ich haben oft Wochen geprobt, damit die Dinge sitzen. Jede kleinste Anweisung musste umgesetzt werden. Heute, wo die Kameras viel billiger sind, gibt es oft drei zusätzliche, damit die Bilder viel mehr bewegt werden. Aber mich bewegt am Ende im TV nichts.
Was schauen Sie sich also noch selbst im Fernsehen an?
Abgesehen vom Sport: Dokus.