„EU-Fiskalregeln der Regierung ins Stammbuch“
INTERVIEW. Bernhard Felderer wird heute im Bundeskanzleramt als Chef des Fiskalrats verabschiedet. Als Mahner gegen Schulden hatte er Feinde, in Konsequenz aber Erfolg.
Erstmals seit Jahren erzielt Österreich einen zumindest kleinen Budgetüberschuss. Übergeben Sie den Vorsitz des Fiskalrats nun beruhigt?
BERNHARD FELDERER: Wir hatten im kurzfristigen Bereich gute Erfolge. Der Hauptgrund, warum wir so fleißig waren, sind die europäischen Fiskalregeln. Wir als Fiskalrat haben darauf geachtet und der Regierung immer wieder ins Stammbuch geschrieben: Diese Regeln müssen eingehalten werden. Und die Regierung hat es auch geschafft, was nicht immer leicht war.
Die Staatsschuldenquote sinkt von 78,3 Prozent 2017 auf heuer 74,2 Prozent und laut Budgetplanung auf 70,5 Prozent 2019. Reicht dieser Pfad für Finanzstabilität und Budgetspielraum?
Na ja. Der Rückgang der Schul- den ist vor allem auf den Verkauf der Assets der Bad Banks zurückzuführen. Dabei brachte am meisten die Heta ein, die Bad Bank der Hypo Alpe Adria.
Der besser als gedacht laufenden Heta-Abverkauf ist mit ein Grund für den Budgetüberschuss von 0,1 Prozent?
Nein, mit dem Budget hat das zunächst nichts zu tun, weil das direkt die Schulden senkt. Die Abwicklungsbanken waren im vollen Umfang in die Staatsschulden integriert.
Laut Fiskalrat werden aus der Bankenhilfe 12 Milliarden Euro Schulden übrig bleiben. Am Höhepunkt der Hilfe in der Finanzkrise waren es 37,2 Milliarden.
Ja, richtig. Aber wir sind jetzt noch bei rund 20 Milliarden. Das wird aber ziemlich sicher auf zwölf Milliarden sinken, die am Schluss übrig bleiben. Das ist dann die Summe, die die Steuerzahler am Ende für die Bankenpleiten bezahlen müssen.
Rund sieben Milliarden Euro Schaden rechnet man am Ende für die Hypo/Heta, wie viel bei den anderen beiden Bad Banks, der KA-Finanz der Kommunalkredit und der Immigon der ÖVAG?
Die beiden letzteren machen den Rest aus, zusammen etwas weniger als die Heta, rund fünf Milliarden. Die Heta war immer der große Brocken.
Was geben Sie zum Abschied der Regierung, im Speziellen dem Bundeskanzler und dem Finanzminister mit auf den Fiskalweg?
Wir sind gut unterwegs und mit der Einhaltung der EU-Fiskalregeln gut gefahren. Da gibt es eine Regel, die wir etwas kritisch betrachten, das ist die Ausgabenregel. Aber die anderen Regeln, also die Drei-Prozent-Maastricht-Grenze und die 0,5-Prozent beim strukturellen Defizit sollten wir unbedingt einhalten und haben wir eingehalten. Inzwischen erzielt schon mehr als ein Dutzend
Länder in Europa Budgetüberschüsse. Irgendwann gibt es eine andere Krise. Dann muss der Staat wenig Schulden haben, damit er schnell auf den Kapitalmärkten Geld zu günstigen Konditionen bekommen kann. Sonst ist man auf die Hilfe anderer angewiesen – wie Griechenland, wo Kredite bis zu 18 Prozent Zinsen gekostet haben, da kann man sich nicht mehr selbst finanzieren.
Sie waren jahrelang als IHSChef, dann als Vorsitzender des Fiskalrats strenger Mahner geals gen Staatsverschuldung, wie viele Feinde haben Sie sich in all den Jahren gemacht?
Es waren immer wieder Leute dabei, die mich aufgefordert haben, Mahnungen abzuschwächen. Aber das ist normal. Manche hielten Defizite und Steuererhöhungen für kein Problem. Wörtlich, im Fiskalrat, im Plenum! Jeder hat das hören können. Wenn das Wachstum hoch genug ist, dann würde man das schon wieder herunterkriegen – eines Tages. Aber wir wissen über das künftige Wachstum sehr wenig. Wir wissen nur, dass die Arbeitslosigkeit sinkt.
Mit 77 Jahren sind Sie so umtriebig wie eh und je. Jetzt gehen Sie für ein Sabbatical nach Argentinien, ein Land, das finanziell ausgehöhlt ist. Wie können Sie denen helfen?
Ich habe eine Einladung von einer Universität, nicht von der Regierung. Die hat genau gemacht, was in dem Buch „Why Nations Fail“als die schlimmsten Fehler bezeichnet werden. Dass man nämlich Institutionen schafft, die nicht klarmachen, dass Verschuldung – private wie öffentliche – nur in Grenzen möglich ist und immer die Rückzahlungsfähigkeit im Auge haben muss. Das ist in Argentinien völlig in die Luft geblasen worden. Es ist ein tolles, freies, weites Land mit wunderbaren Menschen. Aber die Regierung ist eine Katastrophe, wie fast alle Regierungen Südamerikas, siehe das total korrupte Brasilien, das hohes Wachstum verspielte.