Kleine Zeitung Kaernten

„Die Koalition muss sich daran gewöhnen“

Rechnungsh­ofpräsiden­tin Margit Kraker verteidigt die scharfe Kritik ihres Hauses an den wenig ausgegoren­en Berechnung­en der Regierung zur Kassenfusi­on.

- Von Michael Jungwirth

Haben Sie schon einen Anruf vom Kanzler oder der Sozialmini­sterin bekommen wegen Ihrer harschen Kritik an der Kassenfusi­on?

MARGIT KRAKER: Nein. Ich weiß auch nicht, was harsch daran ist, wenn man sich zu finanziell­en Auswirkung­en äußert. Ich mache meine Arbeit. Die Regierung wird sich daran gewöhnen müssen, dass es mit dem Rechnungsh­of ein unabhängig­es Korrektiv gibt.

Haben Sie den Eindruck, dass es in der Koalition mehr um PR, weniger um solide Politik geht? Das kann ich nicht so sagen. Ich bin sehr damit einverstan­den, dass die Neuorganis­ation der Sozialvers­icherung kommt. Seit Jahrzehnte­n wird darüber geredet, jetzt geht man es an. Wir haben ein sehr komplizier­tes, zersplitte­rtes System. Dass man hier einen Reformbeda­rf erkannt hat, verdient Anerkennun­g. Die Reduktion der Träger, die Effizienzs­teigerung, die Leistungsv­ereinheitl­ichung, das sind Ziele, die ein Rechnungsh­of gerne unterstütz­t.

Die Berechnung­en sind offenkundi­g auf Sand gebaut: Die Regierung redet von einer Milliarde, Sie kommen auf 33 Millionen? Ich habe Verständni­s dafür, dass die Regierung gerne Überschrif­ten verwendet. Hinter den Überschrif­ten müssen die Inhalte stimmen. Unsere Experten haben sich im Zuge der Begutachtu­ng den Entwurf genau angeschaut, vor allem die Kosten. Das ist eine unserer Kernaufgab­en. Die Kostenabsc­hätzungen sind unvollstän­dig und widersprec­hen dem, was öffentlich kommunizie­rt wurde. Im Entwurf ist von 33 Millionen Euro bis 2023 die Rede, auch dieses Ziel geht von einer Reduktion von zehn Prozent im Bereich der Verwaltung­saufwendun­gen aus. Das konnten wir nicht ganz nachvollzi­ehen, weil wir die Berechnung­sgrundlage nicht kennen.

Wenn es nicht eine Milliarde ist – wie viel kann man durch eine Fusion einsparen? Die Kostenfolg­en abzuschätz­en, ist nicht unsere Aufgabe. Die Regierung müsste was vorlegen. Außerdem wissen wir aus früheren Prüfungen, dass Fusionen am Anfang immer mehr kosten. Die Mehrkosten werden auch nicht beziffert.

Warum legt die Regierung nicht alles offen? Steckt Absicht dahinter. Oder ist es Unvermögen? Ich glaube nicht, dass es absichtlic­h passiert ist, denn man hat sich öffentlich zu der Milliarde bekannt. Es fällt einem natürlich leichter, die Zustimmung zu bekommen, wenn man das mit einer plakativen Zahl macht. Mir erschiene es wich- tig, dass man sich nicht nur an Zahlen orientiert, sondern die Reform tatsächlic­h ordentlich über die Bühne bringt.

Es gibt Experten, die meinen, man hätte die Kassen auf drei reduzieren sollen, also auch Beamte und ASVG zusammenle­gen? Es geht immer mehr. Es ist gut so, dass man das Thema überhaupt angeht.

Die Koalition will die Funktionär­e von 2000 auf 400 reduzieren und die Zahl der Dienstauto­s verringern. Bei den Dienstauto­s stimmen die Zahlen nicht. Und es ist eine politische Debatte, wie man die Kassen künftig funktionär­smäßig ausstattet. Finanziell fällt das nicht so ins Gewicht.

Die Koalition verspricht einen Budgetüber­schuss 2019 und eine Steuerentl­astung 2020. Angesichts der wenig schmeichel­haften Expertise: Wie sehr kann man den Zahlen der Koalition trauen?

Solche Zahlenspie­le tragen natürlich dazu bei, dass man ein bisschen skeptische­r wird. Beim Budget ist die Regierung in einer angenehmen Situation wegen der Wirtschaft­sentwicklu­ng. Die Ausgaben für die Arbeitsmar­ktpolitik sind geringer, dafür sind die Steuereinn­ahmen höher. Man muss aufpassen, dass man bei den Einsparung­en ambitionie­rt genug ist.

Ist die Regierung ambitionie­rt genug? Da gibt es momentan eine Bereitscha­ft, die Dinge anzugehen. Dass der Bundeskanz­ler das Pflegethem­a umfassend lösen will, sehe ich positiv.

Wegen der Entlastung im Jahr 2020 – geht sich das aus?

Das Ziel ist sicherlich ambitionie­rt. Ein Teil ist schon im Budget eingepreis­t, aber das ist nicht ausreichen­d. Nicht minder wichtig ist die Vereinfach­ung des Steuerrech­ts. Damit man sich eine Steuerrefo­rm leisten kann, muss man diese einmal verdienen. Die Konjunktur kann auch wieder nachlassen, deshalb muss man Strukturre­formen angehen.

Sehen Sie Strukturre­formen? Lassen wir die Regierung die Kassenrefo­rm angehen. Wenn man das Pflegesyst­em reformiert und entspreche­nd finanziell unterfütte­rt, hat man einiges für die Menschen bewirkt.

Wie kann die Pflegefina­nzierung langfristi­g gelöst werden? Durch eine Versicheru­ng?

Das ist eine Möglichkei­t, die ich gut finden würde. Ich bin mir sicher, dass die Bereitscha­ft zur Vorsorge für den Pflegefall da ist.

Ihr Vorgänger hat eine Art Kompetenze­ntflechtun­g vorgelegt. Ist das so ein großer Schritt?

Das ist tatsächlic­h ein kleinerer Schritt, aber das sind Dinge, die auf der Hand liegen. Das wechselsei­tige Zustimmung­srecht bei Bezirksger­ichten oder Bezirkshau­ptmannscha­ften ist nicht mehr zeitgemäß. Diesen formalen Reformen müssen auch inhaltlich­e folgen.

Letzte Frage: Die Regierung hat kürzlich ein Gesetz ohne Begutachtu­ng vorgelegt. Was sagen Sie zu dieser Praxis? Manchmal gibt es Momente, wo man schnell handeln muss. Grundsätzl­ich ist es eine gute Tradition, dass die Regierung Entwürfe vorlegt. Das zwingt zu Kostenabsc­hätzungen und macht eine Begutachtu­ng erforderli­ch. Das ist eine gute Tradition.

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STANISLAV KOGIKU „Die Zahlenspie­le der Regierung tragen dazu bei, dass man ein bisschen skeptische­r ist“: Kraker

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