„Aus der Amnestie wurde eine Amnesie“
Mit dem Film „Der Affront“hat der libanesische Regisseur und Drehbuchautor Ziad Doueiri Publikum und Presse überrascht und begeistert. Ein Interview mit ihm und dem Schauspieler Kamel El Basha.
Anfangs war ich natürlich total fertig. Doch es stellte sich heraus, dass es wohl die Revanche dafür war, dass ich meinen vorherigen Film „The Attack“zum Teil in Israel gedreht hatte, weil er eben dort spielte. Aber Drehen im „Feindesland“ist im Libanon verboten. Ich wurde also verhaftet. Weil die Sache jedoch verjährt war, ließen sie mich nach dem Verhör frei.
Selbst erlebt. Als ich noch in Beirut lebte, hatte ich Streit mit einem Klempner. Ein Wort gab das andere, wir verloren beide die Beherrschung. Doch wir beruhigten uns bald. Mich ließ diese Episode offensichtlich nicht mehr los. Ich fragte mich immer wieder: „Was wäre geschehen, wenn der Konflikt weitergegangen wäre?“Und glauben Sie mir, die ganze Kinostory hätte sich wirklich ereignen können. Mein Vater hatte mir beigebracht: „Wenn du was zu sagen hast, sag es! Aber sei vorsichtig, denn allzu leicht werden bei uns die Worte auf die Waagschale gelegt!“Der Krieg im Libanon endete im Jahr 1990 faktisch ohne Gewinner und Verlierer. Es gab eine Generalamnestie. Ich sage immer: Daraus wurde eine Generalamnesie. Weil die Dinge nicht aufgearbeitet sind. Also genügt manchmal wirklich nur ein Wort oder ein Satz, um eine Lunte zu legen.
Sie, Herr Kamel El Basha, leben in Jerusalem.
(lächelnd): Ja. Und gleich werden Sie mich wahrscheinlich nach meinem Vornamen fragen. Also kläre ich Sie lieber gleich auf. Dieses arabische Wort „Kamel“bedeutet auf Deutsch nämlich so viel wie „perfekt“.
Entspricht somit Ihrer Leistung im Film. Sie, einst von den israelischen Behörden als palästinensischer Aktivist zu zwei Jahren Gefängnis verdonnert, sind mittlerweile ein hochgeschätzter Theatermann. Wie kamen Sie zur Filmrolle in „Der Affront“?
Ich habe mich über Skype beworben und wurde Gott sei Dank genommen.
Wie verläuft, nach dem internationalen Erfolg, Ihr heutiger Alltag?
Wie vorher auch. Ich schlage mich mit den Gegebenheiten dieser heiklen Region durch. Etwa damit, dass ich dem Gesetz nach Jordanier bin, einen israelischen Pass besitze, und zwar als Bewohner, nicht aber als Bürger von Jerusalem gelte. Das führt bei Passkontrollen oft zu Schwierigkeiten.
Sind Sie stolz auf Ihre in Venedig?
Natürlich. Und mein Festival-Aufenthalt hat mir auch eine Erkenntnis gebracht.
Nämlich?
Auszeichnung
Als ich dort bei der Vorführung saß und mich groß auf der Leinwand sah, ist mir aufgegangen, dass ich wohl doch ein guter Schauspieler sein muss. Das ist mir vorher nie aufgefallen.
Sie, Herr Doueiri, sind damals, während des Libanon-Krieges, in die USA geflohen und waren zum Beispiel bei „Pulp Fiction“, „From Dusk Till Dawn“oder „Jackie Brown“Kameraassistent bei Quentin Tarantino.
Ich habe bei ihm viel gelernt und werde sicher wieder in den USA arbeiten. Aber vorher drehe ich in Frankreich, nach einer Vorlage des tollen Autors Pierre Lemaitre, einen Thriller für ARTE.