„Am Ende des Tages geht es um Geschmack“
Der bedeutendste Gourmetführer Österreichs feiert sein 40-jähriges Bestehen. Die Herausgeber, Martina und Karl Hohenlohe, spannen den Bogen von einer Küche mit Dosenöffner bis zu kreativen Überfliegern.
Rund 40 Jahre lang vergibt der „Gault Millau“Hauben in Österreich. Die erste Ausgabe ist 1979 produziert worden. Ein Blick zurück.
Es ist unglaublich, was sich seit der Zeit getan hat, als Michael Reinartz (Anm.: Herausgeber 1980 bis 2005) Monsieur Gault und Monsieur Millau nach Wien eingeladen hat. Das erzählt er immer wieder. Sie waren ehrlich schockiert. So etwas Rückständiges und Uninteressantes haben sie selten erlebt. Aber dann ist es unheimlich schnell losgegangen.
Es war ein richtiger Aufbruch damals. Eine pionierhafte Bewegung mit wichtigen Figuren wie Rudi Kellner, Heinz Reitbauer, Werner Matt, die alle die Nouvelle Cuisine auf die österreichische Küche übertragen und damit den Grundstein dafür gelegt haben, was wir heute als Haubenund Spitzengastronomie sehen.
Reinartz ist am Anfang massiv kritisiert worden von Standesvertretungen und der Politik. Es ist sehr unterhaltend, die ersten Kritiken zu lesen – eine Vernichtung vom Sacher, im Steirereck hat es Wein aus Tonkrügen gegeben ...
Das wichtigste Utensil damals war der Dosenöffner für Pfirsiche oder Ananas. 16 Hauben gab es 1980 in ganz Österreich, heute haben wir 654.
Wie hat sich der Gast in den letzten Jahrzehnten verändert?
Sein Anspruch ist gewachsen. Das Alter des Gastes hat sich auch verändert. Wo früher nur besonders gut situierte Menschen in die Haubengastronomie gehen konnten, kann man das heute auch als Student, der sich was gönnen will.
Die wichtigste Entwicklung neben Koch und Publikum ist der Produzent. Die haben massiv an der Qualität gedreht.
Die Molekularküche ist noch da, nur trägt sie keinen Titel. Ich glaube, was gut ist, wird integriert. Eine wesentliche Veränderung sind Smartphones, das Verhalten des Gastes und die Multiplikatoren, die dadurch geschaffen werden. Wofür früher Mundpropaganda da sein musste, damit man überlebte, das macht jetzt Social Media – im Positiven wie im Negativen.
Molekularküche, nordische Küche, Peru – und jetzt? Ist die Zeit reif dafür, dass alle Welt auf die österreichische Küche blickt?
Wir haben das schon lange versucht zu propagieren. Der nordische Kochboom ist politisch gesteuert worden – im Positiven. Die haben Geld in die Hand genommen, eine Akademie gemacht, die Leute durften probieren und scheitern. Das würde ich mir so für Österreich wünschen. Vielleicht sind auf einem guten Weg.
wir
Was ist denn der gemeinsame kulinarische Nenner des Landes – wie lässt er sich vermarkten?
Von alpin bis mediterran – das hat doch keiner sonst.
Ein schwedischer Konsulent, der am nordischen Wunder mitgewirkt hat, hat mir gesagt, was er vermarkten würde, ist primär das, was man auch an Italien so liebt. Gemütlichkeit, hervorragende einfache Küche. Bei uns ist es ähnlich. Das sollte der Grundstein sein, dieses Lebensgefühl. Das geht dann bis zum Fine Dining.
Die Steiermark ist darin Weltmeister. Sie hat mit Abstand die meisten guten Wirtshäuser im Bundesländervergleich.
In der gehobenen Gastronomie gab es noch vor vier, fünf Jahren den Vorwurf, dass die Teller quer durch Österreich gleich ausschauen – ist das jetzt anders?