Die 70er-Jahre: die Kanzler-Ära des Bruno Kreisky.
Gleich der Beginn der 70er-Jahre brachte einen Machtwechsel. Die SPÖ stellte mit Bruno Kreisky eine Alleinregierung, die Reformen anpackte, manche spalteten das Land.
Die 1970er-Jahre und die Ära Kreisky gelten heute als Aufbruchsjahre, mit dem Ziel, mehr Demokratie und gesellschaftliche Freiheiten umzusetzen und den Nachkriegswohlstand durch Sozialtransfers gerechter zu verteilen. Dieses Ziel gelang durch umfassende Reformvorhaben – etwa in der Justiz unter Minister Christian Broda (Strafrechts-, Ehe- und Familienrechtsreform; Paragraf 144 betreffend Schwangerschaftsabbruch), aber auch in der Universitätsreform durch die Errichtung eines eigenen Wissenschaftsministeriums, den freien Universitätszugang für alle und ein neues Universitätsorganisationsgesetz (Drittelparität in den Entscheidungsgremien der Universität zwischen Professorenund Studentenschaft sowie „Mittelbau“).
Gleichzeitig ging in Österreich wie auch im globalen Kontext die lange Phase des Nachkriegswachstums ab 1973 zu Ende. Nach der ersten Erdölpreiskrise 1974 bemühte sich die Regierung Kreisky erfolgreich mit massiver Erhöhung der Staatsausgaben um ein Abfedern der negativen Auswirkungen dieser globalen Krise, vor allem, um ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Bei dem Versuch, gegen die zweite Erdölpreiskrise 1978 zu „schwimmen“, wurden hingegen die Strukturprobleme der Verstaatlichten Industrie nur prolongiert; sie konnten erst in der zweiten Hälfte der Achtzigerund in den frühen Neunzigerjahren (auch im Bereich der damals verstaatlichten Banken) gelöst werden. Trotzdem gelang es, die Sockelarbeitslosigkeit im europäischen Vergleich niedrig zu halten und Infrastrukturmaßnahmen zu setzen.
Im Gedächtnis Österreichs sind aus dieser Phase nur die wohlfahrtsstaatlichen Aspekte und die „Budgetdefizite“haften geblieben; dass sich aus internationaler Sicht zwischen den Sechziger- und Siebzigerjahren ein industriepolitisches Wunder entwickelt hat, bleibt völlig ausgeklammert.
Bereits in der Ära Kreisky, ab 1981, hatte die verstaatlichte Unternehmensgruppe, die wesentlich den Wiederaufbau der Zweiten Republik mitgetragen hatte (sowohl durch Arbeitsplätze als auch durch Umwegrentabilität bei privaten und öffentlichen Zulieferfirmen), Zuschüsse aus dem Budget erhalten, die zwischen 1981 und 1985 26,1 Milliarden Schilling ausmachten. Im Herbst 1985 wurde klar, dass – trotz hinhaltender Auskünfte des Managements – die Voestalpine AG, eine hundertprozentige Tochter der ÖIAG, der Österreichischen Industrieaktiengesellschaft, und mit 50.000 Beschäftigten das größte österreichische Unternehmen (100.000 Menschen wurden im Rahmen der ÖIAG beschäftigt), einen Jahresverlust von zwölf Milliarden Schilling machen würde. Die Republik Österreich und damit letztlich die steuerzahlende Bevölkerung standen durch Staatsgarantien in der Gesamthöhe von 71 Milliarden Schilling (ohne Zinslast!) dafür gerade. Die öffentliche Meinung hat die Spitzenpolitik und Kreisky allein wegen seiner Zielvorgabe einer Vollbeschäftigungspolitik für die Verstaatlichtenkrise verantwortlich gemacht. Wie dies im Detail aussieht, wird eine quellenorientierte Geschichtsschreibung genau zu analysieren haben.
Die Erosion der alten politischen Lager setzte aber erst Mitte der 1980er-Jahre ein: mit einer starken Umweltbewegung, die sich auch als Kleinpartei formierte, und einem erfolgreichen, teilweise extremistischen Rechtspopulismus um Jörg Haider und die FPÖ. Die
FPÖ Wahlrechtsreform, als zum Preis war Budget der rettete 1955 für worden. unter des Unabhängigen, mit als die die VdU, Bruno direkte der Minderheitsregierung Zustimmung die Partei, Erst FPÖ des die Kreisky Nachfolgepartei sozialdemokratische Verbands eine umsetzte, die gegründet Stile scheinbar einer Doch Simon den Friedrich der damaligen noch echt Wiesenthal ausgelöste angehört FDP auch Peter, 1975 liberalen in auf gab der der FPÖ-Obmann hatte, dem Debatte es mit BRD Partei einer eine Weg Dokumenten die war. von um SSEinheit im zu in Vernichtungsaktionen mit dem indirekt vor war. und war allem, Kreiskys NS-Regime Peter extrem der verteidigte, als Kollaboration und Reaktion er beschuldigte Wiesenthal überzogen, verwickelt solange jedoch nachgewiesen Gerne Reaktion die „Ehemaligen“keine wird als individuelle Versuch ihm werden als diese Wähler ausgelegt, konnte. heftige Schuld zu keilen. Tabu, es Doch sich oder das in um Wiesenthal bewusst diesem ein persönliches Fall – angesprochen – handelte unbewusst wollte in den nicht 1970er-Jahren hatte. als Jude Bruno gegen stabilen Kreisky den gesellschaftlichen werden, der der Block ehemaligen die Reintegration ausgespielt NSDAP-Mitglieder befürwortete. und Wehrmachtssoldaten So heraus reagierte und er höchst aus dem emotional Bauch und zutiefst verletzend.
Besondere österreichische und Bedeutung Experten Politiker maßen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) bei, einer Langzeitidee der Sowjetunion aus dem Jahre 1953, die aber erst in den frühen
1970er-Jahren realisiert wurde. Zwar blieben Fragen der atomaren Abrüstung ausgeschlossen – diese waren den beiden Supermächten vorbehalten –, aber erstmals konnten europäische Staaten in koordinierter Form Entspannungspolitik entwickeln und mitgestalten. Vor allem die Neutralen wie Österreich, die Schweiz, Finnland und Schweden hatten ihre Strategie gut abgestimmt und mit den Blockfreien wie Jugoslawien, Zypern und Malta eine informelle Konferenzlobby, die N+N-Gruppe, gebildet, die höchst erfolgreich die KSZEAkte mit ausarbeiten und die Interessen der Kleinstaaten in das Gesamtkonzept einbringen konnte. 1973 fanden überdies in Wien die ersten Truppenabbaugespräche statt.
Trotz unbeugsamer setzte sich Positionierung Bundeskanzler antikommunistischer Kreisky voll und ganz für die große Entspannungsinitiative der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ein. Anders als bei vielen westlichen, auch sozialdemokratischen Spitzenpolitikern bedeutete diese intensive Entspannungsphase, die inhaltlich an die „Nachbarschaftspolitik“der Sechzigerjahre anknüpfte, jedoch keinen Verzicht auf ideologische Konfrontation sowie auf aktiven Einsatz in Menschenrechtsfragen. Kreisky sprach sich für die Fortsetzung der ideologischen Konfrontation „mit friedlichen Mitteln“aus, da jeder Signatarstaat das freie Recht haben solle, seine politische, soziale und kulturelle Prägung zu bestimmen.
1975 fokussierte Bruno Kreisky als einer der wenigen anwesenden Staatsmänner bei der Unterzeichnung der HelsinkiAkte der KSZE auch diese Grundlinie: „Wir sind also zur Auseinandersetzung bereit, und wir begrüßen die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auch deshalb, weil die Grundsätze, die erarbeitet wurden, diese weltweite Auseinandersetzung in friedlichen Formen erlauben sollten. Jedenfalls verstehen wir so jene Stelle aus der Prinzipienerklärung, die da vom Recht jedes Teilnehmerstaates spricht, sein politisches, soziales, wirtschaftliches und kulturelles System frei zu wählen und zu entwickeln.“Die Sowjetunion reagierte temporär verärgert und stufte den späteren Moskau-Besuch Kreiskys im diplomatischen Protokoll deutlich zurück.
Der generellen Erklärung, die ideologische Konfrontation fortsetzen zu wollen, folgte jedoch auch praktische Politik, so beispielsweise in konkreten Integrationsmaßnahmen von Mitgliedern der Charta 77 in Österreich oder Interventionen für inhaftierte Menschenrechtsaktivisten wie Václav Havel oder Andrej Sacharow. Sowohl die tschechoslowakische Führung als auch die sowjetische Nomenklatura kritisierten diese Politik; die bilateralen Beziehungen zum Nachbarstaat CSSR wurden konfliktreich.
Es sollte aber betont werden, dass auch bei Kleinstaaten außenpolitische Freiräume wesentlich von innenpolitischen Konstellationen abhängen, vor allem bei der Verschlechterung der sozioökonomischen Situation, so in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren. So warnte Kreisky vor einer Eskalation der Flüchtlingsbewegungen nach Verhängung des Kriegsrechts 1981 in Polen, da er deutlich spürte, wie negativ die österreichische Bevölkerung auf
eine mögliche Langzeit-Immigration beziehungsweise Integration polnischer Asylwerber reagieren würde.
Vergeblich Kreisky, Initiativen nahostpolitische bereits versuchte Ende der 60er-Jahre mit dem Projekt einer europäischen Entspannungskonferenz zu verknüpfen. Wesentlich erfolgreicher war er aber in der Folge bei dem Versuch, europäische Interessen an den Rechten und Problemen der Palästinenser, repräsentiert durch die PLO, zu wecken, als die Erdölpreiskrise 1973/74 und 1978 auch Westeuropa die strategische Abhängigkeit auch vom arabischen Raum vor Augen führte. Hier konnte Kreisky seine frühen Initiativen Ende der 70er- und in den frühen 80er-Jahren weiterentwickeln. Seit einer ausgedehnten Gesprächstour durch alle direkt am Konflikt beteiligten arabischen Staaten und Israel 1974 und 1975 im Rahmen der sozialistischen Internationale blieb Kreisky als fixer und für manche höchst unbequemer politischer Beobachter aktiv. Zwar
gelang Sadat dass es ihm, Ägypten zu seiner Friedensgesprächen unter Überzeugung, Präsident Gehör bereit zu war, verschaffen entsprechendes und auch an einer Annäherung zwischen Sadat und Nixon mitzuwirken, doch seine zentrale politische Botschaft blieb ungehört: Schon bei dem ersten Gespräch mit Sadat hatte ihm dieser ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der PLO, Arafat, vermittelt, aus dem mit Unterbrechungen ein jahrzehntelanger enger politischer Kommunikationskanal entstand. Seit 1974/ 1975 war Kreisky klar geworden, dass nicht Ägypten, Jordanien oder Syrien der zentrale Bereich einer friedlichen Nahostlösung ist, sondern dass es die Lösung des PalästinenserFlüchtlingsproblems ist.
Im März 1980 setzte er einen entscheidenden Schritt zur Anerkennung der PLO durch die Republik Österreich als ersten westlichen Staat, ein damals gewagter und außenpolitisch umstrittener Schritt, der aber sehr rasch von anderen westeuropäischen Staaten nachgeahmt wurde. In diesem Sinne agierte Kreisky durchaus als Wegbereiter auch für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die nach den Erdölpreiskrisen zunehmend begann, sich für diesen Raum zu interessieren. Der damalige Kommissionspräsident Gaston Thorn suchte ebenso seinen Rat wie viele andere Staatsmänner Europas. Die Kontakte nach Israel hingegen blieben nur bezüglich der Friedensaktivisten um Peace Now und Uri Avnery bestehen, selbst Schimon Peres hatte in einem offenen Brief 1980 nach der Anerkennung der PLO alle Brücken zu Kreisky abgebrochen, um dann aber selbst in
den späten 1990er-Jahren die Richtigkeit dieses Weges zu erkennen und dafür den Friedensnobelpreis zu erhalten.
In einem weiteren Bereich zeigten sich Ende der 1970erJahre deutliche Implikationen der sozioökonomischen Krise, die auch die österreichische Wirtschaft trafen, wenngleich wesentlich geringer als viele andere Industriestaaten: Die ideologische Debatte über Waffenexporte dokumentierte auch die starke Abhängigkeit von Initiativen auf internationalem Gebiet von ökonomischen Zwängen der Verstaatlichten Industrie, beispielsweise im Zusammenhang mit den Diskussionen um Waffenexporte nach Chile oder Argentinien in den 70ern. Aufgrund der internationalen ökonomischen Krise seit der zweiten Erdölpreiserhöhung ab 1978 wurden ideologische Vorbehalte gegen Waffenexporte zunehmend zurückgestellt; den daraus entstehenden politischen Leerraum nützten Manager zum lukrativen Waffenexport, trotz der Beschränkungen, die ihnen das Neutralitätsgesetz auferlegte.
Bis Mitte der 80er-Jahre blieb die Neutralität Österreichs unter österreichischen Völkerrechtsexperten unumstritten; man konzentrierte sich auf deren Analyse und Beschreibung (etwa Neutralitätspflichten in Friedenszeiten) und auf die Interpretation der im Vergleich mit der Schweiz, aber auch mit Finnland wesentlich aktiveren und selbstständigeren Neutralitätspolitik. Als Doktrin galt, dass ein Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG, später EG) jedoch die Neutralität Österreichs gefährden würde und daher als inkompatibel anzusehen sei.