Kleine Zeitung Kaernten

Das sind Angela Merkels mögliche Nachfolger.

Die Ankündigun­g ihres Abgangs ist ebenso unnachahml­ich wie ihr Führungsst­il. Sie geht so, wie sie regierte – ganz pragmatisc­h und ohne Einfluss von außen.

- Von Ingo Hasewend

Dass Angela Merkel nach diesem Debakel der CDU am Morgen nach der Landtagswa­hl in Hessen nicht einfach so wie bisher vor die Öffentlich­keit treten würde, war vielen Beobachter­n im Berliner Politikbet­rieb klar. Zu hoch war die Erwartungs­haltung an die Kanzlerin und CDU-Chefin, Verantwort­ung für den Negativtre­nd ihrer Partei der vergangene­n Monate zu übernehmen. Als dann aber am Morgen erste Gerüchte durch das Foyer im Konrad-Adenauer-Haus der CDU schwirrten, wurde schnell klar, es kommt zu einem Erdbeben, das weit über Berlin hinaus zu spüren sein wird.

Merkel trat dann um 13 Uhr vor die Kameras und erklärte ohne Umschweife, dass sie im Dezember beim Parteitag in Hamburg nicht mehr für das Amt der Vorsitzend­en kandidiere­n werde, dass sie bei der nächsten Bundestags­wahl nicht mehr antreten wolle und auch nicht als Kanzlerkan­didatin. Zudem strebe sie kein Amt in der EU an. Allerdings wolle sie bis zum Ende der Legislatur­periode als Kanzlerin arbeiten.

Sollte also die SPD nicht die Reißleine ziehen, weil sie etwa wie vereinbart nach einer Evaluierun­g zur Halbzeit der GroKo 2019 von den Parteimitg­liedern den Auftrag zum Koalitions­bruch bekommt, endet die Ära Merkel im Herbst 2021.

An Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier, der als Wahlsieger mit Merkel vor die Me- dien trat, konnte man festmachen, wie überrasche­nd ihr Entschluss selbst die Parteiführ­ung traf. Sie habe diesen Entschluss vor Längerem gefasst, sagte Merkel. Eingeweiht habe sie aus der Partei vorab niemanden und erst am Morgen CSU-Chef Horst Seehofer sowie SPDChefin Andrea Nahles informiert. Bouffier kämpfte sichtlich mit der Stimme und berichtete von einer emotionale­n Stimmung im Präsidium.

Von Innehalten sprachen Merkel und andere CDU-Politiker. Das Wort Respekt für ihre Entscheidu­ng und Leistung machte die Runde. Aber dennoch begann umgehend die Nachfolged­ebatte. Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r signalisie­rte ihre Bereitscha­ft für eine Kandidatur. Einige Tage zuvor schon hatte sich der ehemalige CDU-Fraktionsc­hef Friedrich Merz selbst ins Rennen gebracht.

Doch eine Frage umtrieb die Politiker der konservati­ven Partei umgehend: Kann das mit der Trennung von Parteivors­itz und Kanzlersch­aft gut gehen? Es war bislang Parteilini­e, dass beide Ämter in eine Hand gehören, und Merkel verteidigt­e diese Linie bisher vehement. Bouffier betonte, es gehe jetzt nicht allein um die Personalie, sondern auch um den Inhalt, den der Kandidat oder die Kandidatin vertrete. Deshalb stehe eine Grundsatzd­ebatte über die Ausrichtun­g der Christdemo­kraten an, sagte Bouffier. Es sei von Merkel aber eine „richtige Entscheidu­ng“gewesen.

Viele Mitglieder und Stammwähle­r wissen nicht mehr, für welche Politik die CDU eigentlich steht, hört man seit Monaten immer häufiger. Merkel hat ihre Partei in vielen Grundsatzf­ragen in die politische Mitte geführt. Das galt für die Ehe für alle, für die Abschaffun­g der

Wehrpflich­t, die Migrations­frage, den Atomaussti­eg oder die Kopfpausch­ale. In all diesen Fragen hat sie ihre eigene Position völlig gedreht. Vor allem diese Anpassung von Grundsätze­n aus Pragmatism­us hat ihren Stil geprägt und ihr entweder Bewunderun­g oder scharfe Kritik eingebrach­t. Es wird parteiinte­rn als Hauptursac­he ausgemacht, dass die CDU Stimmen sowohl nach links an die Grünen als auch nach rechts an die AfD abgegeben hat.

Während das Urteil über ihre einsame Entscheidu­ng 2015, Flüchtling­e in Deutschlan­d aufzunehme­n, noch umstritten ist, bleibt eines schon jetzt stehen: Sie hat im April 2000 eine am Boden liegende Partei zu alter Höhe geführt, wurde erste Kanzlerin der Bundesrepu­blik. Seit Jahren erwirtscha­ftet Deutschlan­d Überschüss­e und trägt Schulden ab. Das Land steht in den meisten Parametern in Europa an der Spitze. Die Arbeitslos­igkeit ist auf einem Rekordtief. Merkel hat zudem einen neuen Führungsst­il in die Politik gebracht. Das wird nach Ansicht vieler Experten über die Migrations­krise hinaus ihre Ära beschreibe­n.

Und noch etwas wird bleiben: Seit 13 Jahren ist sie Kanzlerin und hat damit das Bild junger deutscher Mädchen nachhaltig geprägt, die nie jemand anderen an der Spitze sahen als die Frau aus der Uckermark. Wie dieses Frauenbild eine ganze Generation in ihrem Selbstvers­tändnis beeinfluss­t hat, ist jetzt überhaupt nicht abzusehen.

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APA Zeitenwend­e in Berlin: Merkel ist 13 Jahre Kanzlerin und seit 18 Jahren Parteichef­in
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