Rekordzukauf soll für IBM die Wende bringen
IBM holt zur bisher größten Software-Übernahme aller Zeiten aus. Um gut 30 Milliarden Euro wird der Cloud-Spezialist Red Hat gekauft. Damit geht ein Kulturwandel einher.
Die Übernahme ist ein Wendepunkt. Das ändert alles im Cloud-Markt“– mit reichlich Pathos kündigt Virginia „Ginni“Rometty, Vorstandschefin von IBM, die Übernahme des auf Unternehmenssoftware und Cloud-Lösungen spezialisierten Linux-Pioniers Red Hat an. Die Zahlen sind tatsächlich gewaltig. Der Kaufpreis wird bei 34 Milliarden US-Dollar (30 Milliarden Euro) liegen, damit geht die größte Software-Übernahme aller Zeiten über die Bühne. Für IBM – Spitzname „The Big Blue“– soll es ein Befreiungsschlag werden. Zwar setzt das Unternehmen ebenfalls seit Jahren auf sogenannte Cloud-Lösungen (dabei kommen Software und Dienste direkt aus dem Internet), doch mit Amazon, Google oder Microsoft wird das Geschäft von anderen Größen dominiert. Mit dem Zukauf soll die Aufholjagd jetzt gewissermaßen abgekürzt werden. IBM-Chefin Rometty wähnt sich durch Red Hat auf dem Weg an die Spitze der sogenannten „Hybrid-Cloud-Anbieter“. Darunter versteht man einen gemischten Betrieb von Cloud-Anwendungen und selbst betriebenen Servern.
Rometty hatte die Führung von IBM mit Anfang 2012 vom legendären Konzernlenker Sam Palmisano übernommen. Die Firmenhistorie der vergangenen Jahre war von einem fundamentalen Wandel geprägt, IBM trennte sich etwa vom klassischen Geschäft mit PCs, Druckern und Festplatten. Rometty setzte den Umbau fort, neben dem Cloud-Geschäft rückten auch künstliche Intelligenz sowie Sicherheitssoftware in den „Ein Wendepunkt“: IBM-Konzernlenkerin Ginni Rometty
Fokus. Erst im Weihnachtsquartal 2017 gelang erstmals seit fast sechs Jahren wieder ein Umsatzwachstum. Zuletzt geriet der Aufwärtstrend aber wieder ins Stocken und damit der Aktienkurs unter Druck.
Mit Red Hat und seinen 12.500 Mitarbeitern holt sich IBM auch eine neue Kultur ins Unternehmen. Red Hat startete vor 25 Jahren mit einer eigenen Variante des Open-Source-Betriebssystems Linux, die vor allem auf Servercomputern verwendet
wird. Linux ist eine sogenannte quelloffene Software. Das heißt, ihr Programmiercode ist öffentlich und kann von allen eingesetzt werden. Auf dieser Basis werden Instrumente zur besseren Nutzung von Linux entwickelt – von Programmierern, Softwareanbietern oder großen IT-Konzernen. So kaufte auch Konkurrent Microsoft jüngst die von vielen Linux-Programmierern genutzte Entwicklerplattform GitHub.
Der Kaufpreis unterstreicht, wie hoch der Handlungsdruck bei IBM eingeschätzt wird. Denn mit 190 Dollar je Aktie bietet IBM einen satten Aufschlag von gut 60 Prozent auf den Schlusskurs von Red Hat zum Ende der Vorwoche. Mit dem Abschluss der Übernahme rechnen die Unternehmen im zweiten Halbjahr 2019.