Fake News aus dem Äther anno 1938
Heute vor 80 Jahren landete Orson Welles mit fiktiven Nachrichten einen Coup, der Mediengeschichte geschrieben hat.
Am 30. Oktober 1938 unterbrach der Sprecher des US-amerikanischen Radiosenders CBS eine Konzertübertragung aus dem Ballsaal eines New Yorker Hotels, um folgende Horrormeldung durchzugeben: Marsmenschen sind auf einem Bauernhof in New Jersey gelandet! Trotz niedriger Einschaltquote brachen Hörer, die sich erst später zugeschaltet hatten, in Panik aus. Sie hatten die Ansage verpasst, dass es sich bei der Sendung um ein Hörspiel handelte, und glaubten tatsächlich an einen Überfall aus dem Weltraum.
Regisseur Orson Welles, damals 23 Jahre alt, hatte das einstündige Hörstück in Anlehnung an den Science-FictionKlassiker „Der Krieg der Welten“(1898) von H. G. Wells als fiktive Nachrichtensendung konzipiert – und den Grusel-Effekt bewusst einkalkuliert. Es wirkte wie ein herkömmliches Radioprogramm mit Live-Reportern, die die neuesten Nachrichten zur Invasion aus dem All vermeldeten. Es muss authentisch gewirkt haben, denn die Menschen rannten vor Angst auf die Straße.
„Ich schrieb das Manuskript, ich führte Regie und ich war der Sprecher. Mein Name ist Orson Welles.“– Dieses Bekenntnis am Ende des Hörspiels öffnete dem Jung-Genie und seinem Drehbuchautor Howard Koch („Casablanca“) die Türen zur Traumfabrik in Hollywood. Das Medienecho bescherte den Künstlern zudem einen lukrativen Sponsorenvertrag.
1977 und 2010 strahlten der WDR und der Hamburger Sender Oldie 95 jeweils deutsche Fassungen des berühmtesten Stücks der Hörspielgeschichte aus. Obwohl auch diesmal Moderatoren darauf hinwiesen,
es sich um reine Fiktion handelte, riefen bei den Sendern und der Polizei einmal mehr besorgte Hörer an.
Trotz aller Kontroversen durfte Orson Welles drei Jahre nach „Der Krieg der Welten“sein Gespür für die Wirkung medial zugespitzter Wirklichkeit erneut unter Beweis stellen. Diesmal traf es den Zeitungsmogul William Randolph Hearst, den er in seinem Leinwand-Erstling als „Citizen Kane“porträtierte (1941). Der großartige Schwarz- Weiß-Streifen – Drehbuch, Hauptrolle und Regie: Orson Welles – erzählt in Rückblenden vom Aufstieg und Fall des Charles Foster Kane, eines Mannes mit Grundsätzen, der diese bedenkenlos über Bord wirft, als er in den Genuss von Reichtum und Ansehen kommt.
Welles’ Parabel auf die zerstörerische Macht des Geldes verfehlte ihre Wirkung nicht. Als sich während der Dreharbeiten trotz aller Vorsicht Gerüchte über die realen Vorbilder verbreiteten, versuchten die Bedass troffenen, den Film durch Drohanrufe bei den Filmstudios zu verhindern – ohne Erfolg. Doch die Presse griff das Thema gierig auf und überzog Film und Regisseur mit einer wahren Hetzkampagne; die HearstBlätter boykottierten den Film vollständig.
„Citizen Kane“zog trotz aller Verunglimpfungen in den Olymp der Filmgeschichte ein – und setzte sowohl künstlerisch als auch technisch Maßstäbe, die ganze Generationen von Filmschaffenden beeinflussten.
Bei der Nachkriegsparabel „Der dritte Mann“(1949) führte Orson Welles nicht Regie; doch drückte er dem Film als Darsteller des Penicillin-Schmugglers Harry Lime seinen Stempel auf. Für immer wird er als schattenhafter „dritter Mann“mit dem ebenfalls legendär gewordenen „Harry-Lime-Motiv“des Zitherspielers Anton Karas verbunden sein ...