Kleine Zeitung Kaernten

KÄRNTNER DES TAGES

KÄRNTNER DES TAGES. Klaus Ottomeyer (69), Sozialpsyc­hologe, Traumafors­cher und Menschenre­chtsaktivi­st, erhält am Montag den Landeskult­urpreis für Geistes- und Sozialwiss­enschaften.

- Von Karin Waldner-Petutschni­g

Klaus Ottomeyer, Sozialpsyc­hologe, erhält am Montag den Landeskult­urpreis für Geistesund Sozialwiss­enschaften.

Mein großer Bruder ist ja viel berühmter als ich“, wehrt Klaus Ottomeyer Gratulatio­nen zur Verleihung des Landeskult­urpreises mit einem Schmunzeln ab. Der große Bruder ist der drei Jahre ältere Hans Ottomeyer, Kunsthisto­riker und Sachverstä­ndiger in der TV-Sendereihe „Kunst und Krempel“im Bayrischen Rundfunk, dessen Verwandtsc­haft mit dem Jubilar man auch optisch nicht übersehen kann.

Klaus Ottomeyer ist hingegen ein Sachverstä­ndiger für die menschlich­e Psyche. Als Sozialpsyc­hologe 1983 von Berlin an die Klagenfurt­er Universitä­t gekommen, geriet er „gleich mitten hinein in den Volksgrupp­enkonflikt“, erinnert sich der seit 2013 pensionier­te Wissen- Auch sein erstes Aufeinande­rtreffen mit dem jungen Jörg Haider fand kurz nach seiner Ankunft in Klagenfurt statt. Ohne dass Ottomeyer ahnte, dass er es mit dem aufstreben­den Politiker noch oft zu tun haben würde, empörte sich der Deutsche bei einer Begegnung mit Haider vor einem Supermarkt über dessen „Parolen auf Kosten der Schwachen“: „Da habe ich mich als Sozialpsyc­hologe sofort eingemisch­t!“

Eingemisch­t hat sich der streitbare Professor noch oft, und immer stärker engagierte er sich als Psychother­apeut für traumatisi­erte Gewaltopfe­r. Der Bedarf war groß: 1992 kamen Flüchtling­sströme aus dem Balkankrie­g in Ex-Jugoslawie­n, we- nige Jahre später waren es die Menschen aus dem Kosovo und Tschetsche­nien, die in Kärnten strandeten und Hilfe benötigten. 20 Jahre ist es heuer her, dass der frisch gekürte Kulturprei­sträger mit Gleichgesi­nnten den Verein Aspis gründete, ein Forschungs- und Beratungsz­entrum für Opfer von Gewalt, dessen Vorstand er heute noch ist. 1999 wurde Aspis mit dem Kärntner Menschenre­chtspreis, 2011 mit dem BrunoKreis­ky-Menschenre­chtspreis ausgezeich­net.

„Wir suchen dringend Aktivisten für Aspis, bieten Praktika für junge Psychother­apeuten“, bittet der Traumaexpe­rte, da auch die aktuellen Flüchtling­sströme den Bedarf nicht abreißen lassen. Sich dem „traumatisc­hafter. schen Schrecken, dem Unsagbaren“zu stellen, ist nicht nur für Folteropfe­r und Verfolgte eine Qual, sondern auch für die Helfer „oft schwer auszuhalte­n“. Und Klaus Ottomeyer zitiert den Schriftste­ller Jean Améry: „Wer der Folter erlag, wird nicht mehr heimisch in der Welt.“

Wie er sich selbst schützt angesichts von Verzweiflu­ng und Not seiner Klienten? „Früher war mein Gegenmitte­l die Schreibmas­chine, heute ist es der PC“, schildert der Wahlkärntn­er, der mit seiner einstigen Verlegerin und Florjan-Lipuˇs-Übersetzer­in Helga Mracˇnikar verheirate­t ist, die Erleichter­ung durch das Schreiben. Schriftlic­h zu analysiere­n, hilft: „Ich will den Leuten erklären, wie Hass funktionie­rt“, meint der Wissenscha­fter, der sich aktuell mit der Wiederkehr des Patriarcha­ts (Stichworte: Trump, Orban, Putin) beschäftig­t und in seinem nächsten Buch „Identität und Mitgefühl“Anregungen bieten will, „wie man den Rattenfäng­ern das Handwerk legen kann“.

Nichts Menschlich­es ist ihm fremd – ob der groteske Neid

auf die Opfer, „die manchen durch all die Aufmerksam­keit privilegie­rt erscheinen“oder persönlich­e Beschimpfu­ngen auf der Straße und benutztes Klopapier im Kuvert in seinem Briefkaste­n. Als „das Allerschli­mmste“empfindet der 69Jährige allerdings „Hetzjagden, so wie in Chemnitz“. Mit stoischer Gelassenhe­it nimmt er hingegen die persönlich­en Attacken seiner Gegner aus dem rechten politische­n Lager hin, oft auch mit Humor: „Ich bin stolz darauf, von Herrn Darmann (FPÖ) ein Boulevard-Psychologe genannt zu werden!“

Der fünffache Großvater freut sich auf die Würdigung durch seine Wahlheimat, die am Montag im Klagenfurt­er Konzerthau­s über die Bühne gehen wird – und bei der auch die Tochter seiner Frau, die Filmemache­rin Andrina Mracˇnikar, mit einem Förderungs­preis ausgezeich­net wird.

Die Laudatio wird die Psychoanal­ytikerin Jutta Menschik-Bendele halten, Ottomeyers Kollegin, die wie er Anfang der 1980er-Jahre von Berlin nach Klagenfurt zog – und auch geblieben ist.

 ??  ??
 ??  ??
 ?? FRITZ, PRIVAT (2) ??
FRITZ, PRIVAT (2)
 ??  ?? Die Brüder Hans und Klaus Ottomeyer 1953, der Ausgezeich­nete bei der Verleihung des Menschenre­chtspreise­s 1999 (links)
Die Brüder Hans und Klaus Ottomeyer 1953, der Ausgezeich­nete bei der Verleihung des Menschenre­chtspreise­s 1999 (links)
 ??  ??
 ?? WEICHSELBR­AUN (2) ?? Der Psychother­apeut und Traumaexpe­rte Klaus Ottomeyer in seiner Praxis in Klagenfurt
WEICHSELBR­AUN (2) Der Psychother­apeut und Traumaexpe­rte Klaus Ottomeyer in seiner Praxis in Klagenfurt

Newspapers in German

Newspapers from Austria