Der Aufruf gegen die weltweite Gleichgültigkeit
Der Denker Noam Chomsky hat zu seinem 90. Geburtstag eine Streitschrift verfasst.
Noam Chomsky ist eine amerikanische Institution. Vermutlich ist er sogar der bekannteste Linksintellektuelle der USA, in jedem Fall aber ist er der beliebteste. Gestern feierte der Linguist seinen 90. Geburtstag und ist noch nicht altersmüde, bleibt lauter Kritiker der US-Politik, des Raubtierkapitalismus und wütet gegen Armut und Unterdrückung. Zu seinem runden Jubiläum hat sich der emeritierte Professor am weltbekannten Massachusetts Institute of Technology mit einer wundervollen Denkschrift selbst ein Geschenk gemacht. „Kampf und Untergang“ist in Interviewform verfasst. Der Journalist Emran Feroz ist aber mehr als ein Stichwortgeber, er macht das Buch lebendig. Und um das Leben geht es auch. Denn Chomsky macht sich Gedanken über die Frage, warum auf der Welt so viel Ungleichheit herrscht. Er äußert sich zur Frage, warum wir uns als Menschheit so widerstandslos auf den Rand des Untergangs zubewegen (oder zubewegen lassen). Es ist damit ein Appell, sich den Herrschenden der Welt entgegenzustellen, sich zu widersetzen. Damit meint er den Kampf gegen den Klimawandel. Er ruft dazu auf, die Augen nicht vor den großen Gefahren für die Welt gleichgültig zu schließen. Die Welt ist in einer moralischen Krise, stellt Chomsky fest. Er, der Donald Trump eine Abrissbirne der Demokratie nannte, empört sich über Amerikaner und Europäer, die ihre Mauern immer höher gegen alle jene ziehen würden, die der Westen über die jahrhundertelange Ausbeutung und Kriegsführung (beziehungsweise Aufrüstung) in die Verelendung getrieben hat.
Es ist aber auch ein Buch, in dem Chomsky auf sein Leben zurückblickt, sich mit ihm auseinandersetzt. Obwohl er jüdische Wurzeln hat, pflegt er ein kritisch-distanziertes Verhältnis zu Israel und dies wird auch in diesem Buch deutlich. Er beschreibt aber auch den täglichen Antisemitismus, den er in seinem irisch-deutschen Umfeld in Philadelphia als junger Mensch erleben musste. Es ist ein bislang unbekannter Einblick in die Familie Chomsky. Er macht das Buch doppelt wertvoll.
Kampf oder Untergang. Westend. 192 Seiten. 18,50 Euro.